Öko-Shrimps mit Knoblauch

Die exzessive Zucht der Meeresfrüchte zerstört die ecuadorianischen Mangrovenwälder. Greenpeace droht mit einem weltweitem Boykottaufruf  ■ Aus Quito Markus Hundsdorfer

Noch ist gar nichts passiert. Aber schon die Drohung hat das Thema auf die Titelseite der größten ecuadorianischen Tageszeitung El Comercio katapultiert und für erhebliche Unruhe unter Ecuadors Shrimpszüchtern gesorgt. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat angekündigt, sie werde weltweit zu einem Boykott gegen ecuadorianische Shrimps aufrufen, wenn die Regierung nicht binnen sechs Monaten Maßnahmen zum Schutz der Mangrovenwälder ergreife. Andrés Romoleroux, Präsident der ecuadorianischen Aquakulturkammer, verurteilte die Kampagne als völlig unbegründet.

Ecuador hat 1995 rund 15 Prozent seines Exporterlöses mit Shrimps erwirtschaftet, die damit nach Öl (32 Prozent) und Bananen (19 Prozent) sein drittwichtigstes Exportgut sind. Ein Boykott würde das Land, das noch immer unter den Folgen des Klimaphänomens El Niño zu leiden hat, also hart treffen. Und er würde sich auch weltweit bemerkbar machen: Ecuador ist derzeit der größte Shrimpsexporteur in der westlichen Welt.

Es ist kein Zufall, daß die Protestpostkarten, die derzeit bei Präsident Jamil Mahuad eintreffen und Schutzmaßnahmen einfordern, überwiegend aus Spanien kommen. Der Großteil der ecuadorianischen Shrimps, die nach Westeuropa verkauft werden, landen auf spanischen Tellern. Dort gelten Shrimps als ganz besondere Delikatesse. Zudem unterhält Spanien traditionell enge Handelsbeziehungen zu Ecuador. Und genau diese will Greenpeace nutzen, um seinen Forderungen zum Schutz der Mangroven Nachdruck zu verleihen. Als nächsten Schritt plant die Umweltorganisation eine ähnliche Kampagne für die USA, die mit 65 Prozent Hauptabnehmer sind.

Die ecuadorianischen Shrimpsfarmen befinden sich ausschließlich in den Küstenregionen. Dort wachsen auch die Mangrovenwälder, die nicht nur einen wichtigen Schutz vor Erosion bilden, sondern auch die Kinderstube für viele Meeresbewohner sind. „Mangroven“ ist ein Sammelbegriff für Büsche und Bäume, die in der Gezeitenzone tropischer und subtropischer Küsten wachsen. Sie zählen zu den produktivsten Ökosystemen der Erde.

Nach Angaben der ecuadorianschen Umweltgruppe Acción Ecológica hat das Land bereits rund 50 Prozent seiner Mangrovenwälder verloren – den größten Teil zugunsten von Shrimpsfarmen. Zur Zeit sind an Ecuadors Küsten noch 150.000 Hektar mit Mangrovenwald bedeckt. Damit das so bleibt, hat das Land 1994 ein fünfjähriges Moratorium verabschiedet. Bis zum Juni 1999 darf kein Mangrovenwald mehr für Zuchtbecken vernichtet werden. Trotz dieses Dekrets sind nach Angaben des El Comercio seither 90 neue Zuchtanlagen entstanden. Weitere 800 Anträge für neue Anlagen liegen bereits vor, denn die Shrimpsproduzenten sehnen das Ende des Moratoriums herbei. Und wenn sich die Regierung unter Präsident Jamil Mahuad nicht zu einer Verlängerung des Verbots entschließt, wird im Sommer 1999 eine Welle von Kahlschlägen in Ecuadors Mangrovenwäldern einsetzen. Dort werden dann großflächig von Dämmen getrennte Wasserbecken entstehen. Inhalt: Shrimps.

„Wir unterstützen die Bemühungen zum Schutz der Mangroven, aber nicht in der Form, wie sie die Umweltschützer fordern“, ist von seiten der Shrimpszüchter zu vernehmen. Ähnlich sieht es die ecuadorianische Umweltministerin Yolanda Kakabadse, für die die Greenpeace-Kampagne nur „auf die illegalen Aktivitäten einiger unzuverlässiger Shrimpsfarmer“ zurückzuführen ist. Die nationale Shrimpsindustrie habe sich darum gekümmert, „mit fortschrittlicher Technologie zu arbeiten, um eine Schädigung der Umwelt zu vermeiden“.

Tatsächlich betreiben rund 80 Prozent der Züchter bei Pedernales nach Aussagen des ecuadorianischen Shrimpsspezialisten Cesar Villamar eine sogenannte ökologische Aquakultur. Das bedeutet aber lediglich, daß die Shrimpslarven mit einem Gemisch aus Knoblauch, Limonen und Humus gefüttert werden. Und weil dies Naturprodukte sind, spricht man hier von „ökologisch“. Die Zerstörung der Mangroven oder gar der Transport per Luftfracht spielen dabei nach Informationen von Umweltschützern keine Rolle.

Die Motivation für das Labelling ist durchsichtig: Die Züchter erwarten von der Einführung ein Umsatzplus von bis zu 30 Prozent. Zudem hat Spanien einen Kredit von fünf Millionen US-Dollar für eine neue Verpackungsanlage versprochen – wenn die Züchter ein Öko-Zertifikat vorweisen.