Kein schwarzes Geld für den roten Osten?

Nach ihrer Klausurtagung in Kreuth hinterläßt die CSU Verwirrung: Unklar bleibt, was Staatskanzleichef Erwin Huber mit der Ankündigung meinte, Bayern werde sich nicht am „Kommunismusaufbau Ost“ beteiligen  ■ Von Stefan Kuzmany

München (taz) – Vielleicht sind es die Alpen und der viele Schnee, der idyllische Tegernsee und die ruhige Kuratmosphäre im schönen Wildbad Kreuth: Alle Jahre wieder gerät die Bonner CSU-Landesgruppe, traditionell versammelt zur jährlichen Klausurtagung und geradezu umzingelt von den fast schon parteieigenen Naturschönheiten, in einen Taumel. Dann spornen sich die Abgeordneten gern gegenseitig an und verlautbaren den wartenden Journalisten ihre ganz eigene Sicht der Welt.

Klausur inmitten der parteieigenen Natur

Der Glanz ihrer Worte verblaßt um so mehr, je entfernter sie vom glitzernden Prachtpanorama des Tagungsortes vernommen werden. Es ist wohl jener vielbeschworene „Geist von Kreuth“, der dieses Jahr in Erwin Huber, den Chef der bayerischen Staatskanzlei, gefahren ist, als er einem Journalisten der Leipziger Volkszeitung ein Interview gab: Bayern werde es nicht zulassen, „daß Aufbau-Ost-Gelder von Bund und Ländern für den Kommunismusaufbau Ost mißbraucht werden“. Im Klartext: Wo die PDS mitregiert, dorthin soll aus dem CSU-regierten Alpenstaat kein Geld mehr fließen. Schließlich sei Bayern als Geberland an den Transferleistungen von Bund und Ländern in die neuen Bundesländer von jährlich mehr als 100 Milliarden Mark maßgeblich beteiligt. Und nicht nur das: wegen der Zusammenarbeit der SPD mit der PDS prüfe Bayern (vulgo: die CSU) auch einen Austritt aus Bund-Länder-Gremien wie der Kultusministerkonferenz: „Wir lösen uns aus diesen Abstimmungsgremien, wenn der Föderalismus von den Kommunisten mißbraucht wird und wenn die SPD sich weiter als Steigbügelhalter betätigt.“

Nun ist Erwin Huber, bisher bayerischer Finanzminister, nicht gerade als Mann der geschliffenen Worte bekannt – aber bisher sind seine starken Töne von der Parteiführung regelmäßig gedeckt worden. Diesmal ist das anders. Der Noch-CSU-Vorsitzende Theo Waigel tat sich in seiner Stellungnahme offenbar schwer, Hubers Äußerungen nicht als offenkundigen Unsinn abzutun: „Erwin Huber ist ein kluger Mann und weiß selbst, was er sagt“, sagte der ehemalige Bundesfinanzminister in Kreuth – daß er extra auf die besondere Intelligenz seines Parteifreundes hinweisen mußte, ist eine nette kleine Gemeinheit. Das Thema sei ohnehin Sache von Ministerpräsident Stoiber. Der sprach flugs von einem Mißverständnis: Bayern wolle nicht am Solidarpakt rütteln. Zu groß war die Irritation, die die Huber-Drohung nicht nur bei den links regierten Ostländern ausgelöst hatte – Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) meinte, Bayern sei offenbar jedes Mittel recht, um Vorwände für einen Ausstieg aus dem Finanzausgleich der Länder zu finden. Thüringens Regierungssprecher Hans Kaiser sprach von einem „Stück aus dem absurden Theater“, sein Kollege Winfried Muder aus Brandenburg nannte die Hubersche Drohung gar „blindwütige Wadenbeißerei“.

In Kreuth geht es immer zwei vor, einen zurück

Damit liegt er vielleicht gar nicht so falsch: In guter „Zwei vor, einen zurück“-Tradition schicken die CSU-Oberen gerne einen ihrer Wadenbeißer an die Öffentlichkeit, der scharfe Thesen verbreitet und damit eine öffentliche Stimmung im Sinne der CSU schafft, um im nächsten Schritt wieder etwas zurückhaltender zu werden. Also ruderte Huber wieder zurück: „Mir geht es nicht um die Aufkündigung des Solidarpaktes, sondern um geforderte zusätzliche Transferleistungen.“ Sein Vorstoß sei „in der Zuspitzung“ möglicherweise mißverständlich gewesen. Und die Mitarbeit in föderalistischen Gremien werde Bayern in Zukunft daran orientieren, ob sie die Eigenständigkeit Bayerns stärken. Sollte ein Anliegen des Freistaats am Veto der PDS scheitern, sei dies ein Grund auszusteigen. Konkrete Gremien nannte Huber allerdings nicht mehr.

Verständnis äußerte nur der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Michael Glos. „Unser Freund Erwin Huber hat hier eine sehr weitverbreitete Meinung besonders in der bayerischen Bevölkerung formuliert“, sagte er. Die Ansicht, den „Kommunisten“ auf keinen Fall Geld zu geben, ist dem bayerischen Biertrinker tatsächlich vertraut. Allerdings hätte man das schon vor Jahren Franz Josef Strauß sagen müssen – der hatte mit seinem Milliardenkredit seinerzeit der SED einen unverdienten Aufschub gewährt.