■ Doppelpaß: Es gibt keinen Parteienkonsens mit CDU-Chef Schäuble
: Ein unverantwortlicher Kurs

Vorstand und Präsidium der CDU haben auf der Klausurtagung mit großer Mehrheit die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gebilligt. Von denjenigen, die im Vorstand dagegen stimmten – Heiner Geißler, Rita Süssmuth und Rita Pawelski – war anderes kaum zu erwarten, es sei denn zum Preis der Selbstverleugnung. Sie sind die wortstarken Außenseiter in einer Partei, die sich ansonsten in der Frage der Integration von Ausländern in der Vergangenheit zum Verstummen gebracht hat.

Nun sollen die Stimmen also landauf, landab gesammelt werden. Zusätzlich wird ein eigener Gesetzentwurf vorgelegt. Man darf gespannt sein, wie er aussieht. Die Art der Inszenierung, in der Parteichef Wolfgang Schäuble die CDU unter den Schatten der CSU geführt hat, läßt wenig Gutes erhoffen. Eine sachliche Debatte im Bundestag über das – in der Tat höchst umstrittene und sensible Thema – wird schwierig, wenn nicht gar aussichtslos.

Natürlich kann die rot-grüne Koalition am Ende der Lesungen und Ausschußsitzungen mit ihrer komfortablen Mehrheit die künftige Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft, wie in der Koalitionsvereinbarung verankert, durchstimmen lassen. Das wäre klassische Machtpolitik, wie sie die alte Koalition häufig genug vorexerziert hat. Und doch spräche immer noch vieles dafür, die durch die Union polemisch und mit gefährlichen Untertönen angeheizte Debatte im Bundestag noch einmal aufzugreifen. Ein Kompromiß wäre der frühere Vorschlag der FDP und von Teilen der CDU, wonach die jugendlichen Doppelstaatler mit der Volljährigkeit sich für einen der beiden Pässe zu entscheiden hätten. Doch danach sieht es nicht aus.

Es ist das Verdienst Schäubles, den Weg zu einem breiteren Konsens der Parteien – und damit auch der Gesellschaft – versperrt zu haben. Statt Klärung in einem innnerparteilichen Prozeß herbeizuführen, diktierte er von oben herab den Kurs der Gesamtpartei. Die jüngeren Abgeordneten (die ja noch was werden wollen) wagten nur leise Töne der Kritik. Schäuble hat mit seiner Tat die Fronten verhärtet. Rot-Grün wird beim Thema Staatsbürgerschaft aufs Ganze gehen. Viele in der Koalition sähen wohl jedes Abweichen vom Koalitionsvertrag als schweren Imageverlust an, zumal wenn er auf Druck von populistischen Parolen zustande käme. Schäubles Vorstoß ist – und bei diesem Thema ist das pathetische Wort einmal angebracht – alles andere als staatspolitisch vernünftig. Er ist schlichtweg unverantwortlich. Severin Weiland