Massenschlachtungen in 3D Von Karl Wegmann

Konscho ist ein politisch korrekter Mensch, nur: Er haßt Vorschriften und Verbote. Wenn zum Beispiel ein Film ab 16 Jahren freigegeben ist und sein Sohn Phillip (13) ihn unbedingt sehen will, geht er zunächst alleine ins Kino und entscheidet dann, ob Phillip auch hin darf oder nicht. Das klappt bei Filmen ganz gut, doch bei Computerspielen muß Konscho passen.

Kurz nach Weihnachten, Phillip hatte sich „Creatures 2“ und „Die Siedler III“ gewünscht und auch bekommen, schaut Konscho seinem Sohn zu, wie der römische Dörfer baut, und blättert dabei in einer PC-Zeitschrift. Er stößt auf die Hitliste der besten PC-Spiele des vergangenen Jahres. „Mann, dieses ,Half-Life‘ muß ja toll sein“, murmelt er vor sich hin. Phillip hat das mitgekriegt und meint: „Ja, echt cool, nur leider in Deutschland verboten.“ – „Was? Die wählen es hier zum Spiel des Jahres und es ist verboten?“

„Als das Heft erschien, war das Spiel ab 18 freigegeben und noch zu kaufen“, erklärt Phillip, „jetzt haben sie ,Half-Life‘ komplett verboten, jetzt darf da nicht mal mehr Werbung für gemacht werden, es darf nicht einmal erwähnt werden“. – „Unglaublich!“ sagt Konscho, „das Spiel besorg' ich mir.“

Konscho versucht es zunächst in den großen Medienmärkten und Kaufhäusern. Nichts zu machen. Überall heißt es nur: „Das Spiel wurde letzte Woche indiziert, das darf nicht mehr verkauft werden.“ Konscho versucht es mit Überredungskunst: „Sie haben das doch bestimmt noch auf Lager“, säuselt er. „Klar“, sagt der Verkäufer bei „Saturn“, „mindestens noch 15 Stück, werden alle zurückgeschickt.“ – „Könnten Sie nicht...“ schmeichelt Konscho und spielt mit einem 20-Mark-Schein. „Wollen Sie mich bestechen?“ Der Verkäufer wird laut. „Ein erwachsener Mann bietet mir 20 Mark, damit ich ihm ein verbotenes, ultrabrutales Computerspiel verkaufe?“

„Kein Geschäftssinn mehr“, sagt Konscho nach seinem ersten erfolglosen Tag zu seinem Sohn, „die Game-Dealer kuschen vor der Bundesprüfstelle, alles Weicheier.“ – „Sag' ich doch, Alter“, meint Phillip nur. Am nächsten Tag hat Papa einen Dreh gefunden. Er verläßt die Metropole, fährt in die nächste Kleinstadt und geht dort zum einzigen Computerladen. Verbote erreichen die Landbevölkerung schließlich immer etwas später. Und: Bingo! „,Half-Life‘ haben wir da, macht 89 Mark 95.“ Zu Hause fragt Phillip seinen stolzen Vater: „Soll ich dir helfen...“ – „Nee, das schaff' ich schon, du bleibst draußen.“ Konscho ist vorsichtig geworden. „Rennen und töten“, ruft Phillip, „du mußt rennen und töten“, dann macht Konscho die Tür zu und versucht, das Spiel zu installieren.

Nach dreieinhalb Stunden hat er es geschafft. Okay – jetzt geht's los mit der Massenschlachtung von Aliens und anderen Monstern, alles in 3D und mit realistischen Soundeffekten. Doch Konscho kommt nicht vorwärts. Am dritten Tag gibt er auf. „Ich komm' einfach nicht an die Waffen ran, dauernd werde ich gekillt, das ist echt langweilig, scheiß Spiel“, und er vergißt „Half-Life“.

Sein Sohn aber hat einen Freund, und der hat einen Vater, und der hat einen CD-Brenner. Und so kann man jetzt hier in der Gegend ein verbotenes PC-Spiel für 20 Mark kaufen. Tips, wie man an die Waffen rankommt und die Aliens tötet, gibt's gratis dazu.