Liberale Gegenwehr aus der CDU

Die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft mobilisiert in Berlin liberale Unionspolitiker. Zwei CDU-Kommunalabgeordnete wechseln zur SPD  ■ Von Barbara Junge

Für die Bundes-CDU ist die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft beschlossene Sache. In der Bundeshauptstadt dagegen wollen immer mehr Parteimitglieder der Kampagne ihre Unterschrift verweigern. Und dies, obwohl der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sich persönlich für den Stoiber- Schäuble-Kurs der CDU stark gemacht hatte.

Ein Kreis liberaler Berliner CDU-Mitglieder, der „Zukunftskreis der CDU“, attestiert der Aktion jetzt „den Charakter einer kaum verhüllten Neid-und-Hetz- Kampagne“, die auf dem Rücken der in Deutschland lebenden Ausländer ausgetragen werde. Wer dabei das Wort Integration im Mund führe, so die christliberale Argumentation, sei heuchlerisch und unverantwortlich. Unter anderem aus Protest gegen die Aktion sind inzwischen auch zwei Berliner KommunalparlamentarierInnen der CDU zur SPD übergetreten.

Während die Bundespartei gestern wieder Kompromißsignale zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft signalisiert hat, formiert sich in der ausländerreichsten Stadt der Bundesrepublik damit der Widerstand. Dem 50 Miglieder zählenden „Zukunftskreis“ gehören unter anderen die Ausländerbeauftragte des Berliner Bezirks Schöneberg, Emine Demirbüken, und der Staatssekretär für Finanzen in der Hauptstadt, Peter Kurth, an. Berlins prominente Ausländerbeauftragte Barbara John unterstützt die Initiative.

Am Wochenende verlangte der „Zukunftskreis“, auf Dauer in der Bundesrepublik lebende MigrantInnen die Einbürgerung zu erleichtern. Eine regelmäßige Doppelstaatsangehörigkeit könne bestehende Hindernisse dabei beseitigen. Der Sprecher des Kreises, Andrew Campbell, sagte gestern, die Unterschriftenaktion sei weit unter der Gürtellinie, mit ihr werde allenfalls der rechte Rand bedient. Das lasse sich aus den positiven Reaktion der rechtsextremen Parteien schon ablesen. Dabei sei die doppelte Staatsbürgerschaft schon Realität. „Und außerdem sind auch nicht alle bisherigen 2,5 Millionen Doppelstaatler zur Roten Armee Fraktion gegangen“, so Campbell.

Auch Schönebergs Ausländerbeauftragte Demirbüken ist überzeugt, daß die Kampagne Schaden anrichten wird – vor allem für die CDU. „Wir werden in Berlin die Wahlen verlieren, wenn wir weitermachen wie bisher und diese ausländerfeindliche Terminologie verwenden.“ Statt ernsthaft an der Integration gerade der dritten und vierten Generation Nichtdeutscher zu arbeiten, werde im Hauruckverfahren diese unnütze und nicht diskutierte Aktion durchgeführt. „Die Berliner CDU wird diese Rechnung teuer bezahlen“, befürchtet Demirbüken. Für sie selbst bedeute das Ganze eine innere Zerreißprobe. Der bislang als liberal geltende CDU-Chef Diepgen habe sie mit seiner Position sehr enttäuscht – „und ich weiß noch nicht, ob ich in der CDU bleiben werde“.

Diese Frage haben zwei Abgeordnete im Berliner Bezirk Neukölln für sich bereits eindeutig entschieden: Ende vergangener Woche wechselten Marie Bergmann- Bendlin und Jutta Finger von der Union zu den SozialdemokratInnen. Von beiden ist schon länger bekannt, daß sie insbesondere mit der Ausländerpolitik, aber auch mit der Jugendpolitik ihrer Fraktion nicht mehr einverstanden waren. „Bei Sitzungen der CDU- Fraktion habe ich oft geglaubt, ich bin bei den Republikanern“, äußerte sich Jutta Finger öffentlich. Arabische Jugendliche im bekannten Neuköllner Rollbergviertel seien nur mehr als hochkriminelle Banden diskutiert worden, die man nicht auch noch unterstützen müsse, ein Mädchentreffpunkt sei als Emanzentreffpunkt betitelt worden. Auch Marie Bergmann- Bendlin spricht von einer „unterschwelligen Ausländerfeindlichkeit“ ihrer bisherigen Fraktion.

Unterdessen hält in Berlin die Kritik auch von außen an der Unionskampagne an. Sowohl die Opposition von PDS und Bündnisgrünen als auch Koalitionspartner SPD verurteilten die Kampagne. Am Donnerstag wird sie Thema im Landesparlament sein. Die Berliner Türkische Gemeinde bezeichnete die Aktion als „verhängnisvoll, integrationsfeindlich und realitätsfremd“.