Kommentar
: Die Reform

■ Staatsbürgerschaft: Der CDU stünde mehr Zurückhaltung gut zu Gesicht

Mehr Integration statt doppelter Staatsbürgerschaft fordert die CDU. Ein schlechter Witz. Denn für die Integration war die Ära Kohl eine verlorene Zeit. 1983, zu Beginn der Kohl-Regentschaft, hieß die anachronistische Antwort auf die Einwanderungsgesellschaft „Ausländerrückführung“. 1991 trat ein „neues Ausländergesetz“ – ein Euphemismus – in Kraft. Das Gesetz blieb weit hinter den Erfordernissen einer offenen Gesellschaft zurück. Und in der Legislaturperiode 1994 bis 1998 unterließ die Kohl-Regierung die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.

Angesichts dieser Versäumnisse stünde CDU und CSU ein wenig mehr Bescheidenheit gut zu Gesicht. Ihre Politik produzierte millionenfach Ausländer, sie begünstigte Parallelgesellschaften, Ghettobildung und Halbalphabeten. Kurz: Die Unionspolitik gefährdete die innere Sicherheit des Landes. Und sie scheiterte an der nach der Verabschiedung des Grundgesetzes zweiten wichtigen Zäsur der Republik – der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.

Rot-Grün fällt die historische Aufgabe zu, die Einbürgerung zu erleichtern und damit Staatsvolk und Wohnbevölkerung wieder in Einklang zu bringen, aus „unseren lieben Mitbürgern“ Citoyens zu machen. Natürlich wissen nicht nur die Süssmuths und Geißlers in der CDU, daß sie der Republik einen schlechten Dienst erweisen, wenn sie an der frontalen Abwehr der rot-grünen Reform festhalten.

Es wäre ein demokratisches Armutszeugnis, wenn die CDU sich vollständig der CSU unterwirft und die Bundesregierung damit nötigt, die Reform gegen ihren geschlossenen Widerstand durch die Gesetzgebungsinstanzen zu drücken. Ist es den kritischen CDU-Stimmen, die sich gegen die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen haben, ernst, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich gegenüber den rot-grünen Plänen kompromißbereit zu zeigen. Gleichzeitig könnten SPD und Bündnisgrüne bei diesen Gesprächen zeigen, wie wichtig ihnen ein breiter gesellschaftlicher Konsens für die Reform ist. Sie ist zu wichtig, um sie in einer Kampfabstimmung umzusetzen.

Die CDU wäre auch im eigenen Interesse gut beraten, das Festklammern an den völkischen Grundlagen des alten Staatsbürgerrechts der CSU und ihren Freunden von Rechtsaußen zu überlassen. Eberhard Seidel-Pielen