Einer muß immer der letzte sein

■ ... drum bringt R. Willemsen uns und dem WDR nun „die letzte Kultursendung“ (22.30 Uhr, WDR)

Es scheint pure Ironie: Bei der Brachialreform seines dritten Programmes, die endlich dessen schlechte Quoten auf das Niveau anderer ARD-Dritter heben soll, hat sich der WDR nun ausgerechnet eines ausgewiesenen Quotenfeindes erinnert: Roger Willemsen. Und so gibt es ab heute einmal im Monat mittwochs „Nachtkultur mit Willemsen“. Zur besten Schlafenszeit.

Seit Anfang der 90er geistert das Phänomen „Willemsen“ durch das Fernsehen und taucht immer mal wieder in Nischen und auf Plätzen des televisionären Kosmos auf. Und erklärt uns dabei, warum die Dinge so sind, wie sie sind, aber nicht sein sollten, als könne man Karl Kraus und Peter Lustig gleichzeitig sein.

Nach der Absetzung von „Willemsens Woche“ beim ZDF im vorigen Jahr hatte es noch so ausgesehen, als ob Womanizer Willemsen höchstens noch mal bei TM3 eine Sendung bekommt, wo zwecks Filmporträt die Kamera schon mal stundenlang an den Rockschößen seines Trenchcoats hing. Der promovierte Germanist schien den Bogen überspannt zu haben, mit seinem Faible für alles „was die Gattungsnormen des Telegenen aufbricht“, wie er es ausdrückt: Seine vielen gedolmetschten Gäste killten allenthalben die Quote. Auch Entgleisungen mißfielen den Gewaltigen, beispielsweise der Protesttalk mit Friedrich Küppersbusch in einer Live-Schaltung zur letzten Folge von dessen „Privatfernsehen“. Damals drehte der WDR den Saft ab. Doch: Totgeschriebene leben länger.

„Da es ein sehr schlichtes Konzept ist, ist fast das Wort Konzept zuviel“, sagt Willemsen über „Nachtkultur“: In einem kleinen Kölner Theater wird der Moderator mit mehreren Gästen eine Stunde lang mal in einer „Plenumsdiskussion“, mal im Einzelinterview zu einem Thema talken. „Das Wichtige daran ist, daß es die letzte monothematische Kultursendung im deutschen Fernsehen ist“, doziert Willemsen, „und daß man sich einem so wichtigen Thema wie Lebenskultur stellt, ohne große Unterschiede zwischen E und U zu machen. Es geht um Alltagskultur.“ Oder das, was sich Akademiker darunter vorstellen.

In der ersten Sendung werden eine schwarzamerikanische Autorin, ein ägyptischer Ästhetikprofessor, ein mongolischer Schriftsteller, ein iranischer Schönheitschirurg und ein deutsches Fotomodell erörtern, was in ihrem Kulturkreis als schön gilt: „Das finde ich selber so brisant, daß ich als Zuschauer sagen würde: Das will ich wissen.“ Weitere Themen stehen noch nicht fest, aber gern würde Willemsen etwas zur „Kindheit der Menschheit“ machen und eine Sendung mit „einem etwas intelligenteren Zugang zum Nackten“.

Willemsen weiß, daß die WDR- Sendung nur ein „Gnadenbrot“ ist: „Die Kultur ist immer ein Exil.“ Aber in diesem Jahr darf er noch genug machen, was über das Kultur-„Ghetto“ hinausführt, freut Willemsen sich: im Februar ein Dokumentarfilm über Gerhard Schröder – 100 Tage vor und nach der Wahl; im Frühjahr die Reportage „Bordelle der Welt“; sowie drei Veranstaltungen zu Goethe und irgendwann wieder was beim ZDF. Halt „so Sachen, die im Schwange sind“.Ania Mauruschat