Zwei Neulinge in Europas Elite

Die Berliner Eisbären und die Mannheimer Adler beweisen, daß Eishockey in Deutschland „ganz gut“ ist, und ziehen ins Halbfinale der Eishockey-Europaliga ein  ■ Aus Berlin Matti Lieske

Ein wenig verlegen druckste Bo Lennartsson nach dem Ausscheiden seines Teams Färjestad BK aus der Eishockey-Europaliga (EHF) auf dem Podium herum. „Natürlich ist die Meisterschaft für uns die Nummer eins“, rang er sich schließlich zu einer Stellungnahme durch, „aber wir wollten schon gern ins Europapokalfinale. Deshalb sind wir enttäuscht.“ Ähnlich reserviert bewertete Lennartssons Berliner Kollege Peter John Lee, dessen Eisbären dem 5:3-Hinspielerfolg in Schweden ein 3:1 in eigener Halle folgen ließen, den Einzug ins sogenannte Halbfinale der europäischen Eliteklasse. „Für uns ist die DEL ganz wichtig“, stellte er klar, „aber jede Liga muß alles tun für Europa.“

Auch in ihrem dritten Jahr steht die EHL noch längst nicht oben auf der Prioritätenliste der Spitzenklubs aus Europas Ligen, mag René Fasel, Präsident des Internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF) das Produkt noch so sehr in den Himmel loben. „Das Niveau ist gestiegen, das Interesse für die Liga wird schnell größer, die besten europäischen Klubs nehmen teil“, schwärmt der Schweizer, doch in den nationalen Ligen ist diese Botschaft noch nicht angekommen. Schon gar nicht in der DEL. Deren Terminplan nimmt keinerlei Rücksicht auf die EHL, was neben dem geringen finanziellen Anreiz auch der Hauptgrund dafür war, daß die deutschen Vertreter in der Vergangenheit nicht übermäßig engagiert an die Aufgabe herangingen. So mußten die Berliner Eisbären direkt am Tag nach einem schweren Europaligaspiel schon wieder in Rosenheim antreten, weil sich der in der unteren Tabellenregion angesiedelte bayrische Klub so wohl eine bessere Chance ausrechnete und eine Terminverlegung ablehnte. „Die Liga muß helfen“, fordert Peter John Lee, „denn was wir in der Europaliga machen, ist ganz wichtig für die DEL“.

Um so erstaunlicher ist es unter diesen Bedingungen, daß mit den Eisbären und den Mannheimer Adlern diesmal gleich zwei DEL- Teams ins Halbfinale einzogen, nachdem die deutschen Klubs in den ersten beiden EHL-Jahren jeweils in der Vorrunde ausgeschieden waren. Dieses Schicksal ereilte auch diesmal die Frankfurt Lions, aber Mannheim und Berlin dürfen vom 22. bis 24. Januar mit zwei russischen (Magnitogorsk und Dynamo Moskau) sowie zwei finnischen Teams (Tampere und HIFK Helsinki) um die Teilnahme an der Endrunde spielen. „Das zeigt, daß Eishockey in Deutschland ganz gut ist“, freute sich Peter John Lee, dessen Eisbären den Europapokalwettbewerb von vornherein zu einem wichtigen Ziel deklariert hatten. Manager Lorenz Funk ist sogar überzeugt, daß sich die Sache auch wirtschaftlich lohnt, wenn man nur genügend weit kommt.

Rund 9.000 Mark pro Punkt gab es in der Viertelfinalrunde, mit 90.000 Mark sind die beiden Halbfinalturniere dotiert, 260.000 Mark werden beim Finalturnier ausgeschüttet, davon 120.000 Mark für den Europacupsieger. Besonders lukrativ wird die Sache für Funk durch die fast sichere Ausrichtung eines Halbfinalturniers, bei dem die Berliner die Einnahmen durch Zuschauer und einige Werberechte kassieren können. Das andere Halbfinal-Dreierturnier findet voraussichtlich im finnischen Tampere statt.

Am Dienstag abend waren 3.500 Zuschauer in den „Wellblechpalast“ nach Berlin-Hohenschönhausen gekommen, um den etwas glücklichen Sieg der Eisbären gegen ein technisch hochklassiges schwedisches Team zu bejubeln, den erst Mario Chitaroni kurz vor Schluß mit seinem Schuß zum 3:1 ins leere Tor sicherstellte. Überhaupt ist das hohe Spielniveau ein gewichtiges Argument für die Europaliga. Bei einer Umfrage unter den teilnehmenden Klubs der EHL-Saison 97/98 gaben 82 Prozent an, daß besser gespielt werde als in der jeweiligen heimischen Liga. Mannheims Coach Lance Nethery, dessen Mannschaft bei Sparta Prag zwar 4:10 verlor, aber dank des Reglements, das die Höhe eines Sieges ignoriert, im Penalty-Schießen weiterkam, pflichtet dem bei. „Das war etwas ganz anderes als das Catch- Eishockey, das wir in der DEL immer öfter sehen“, hatte er nach dem 6:4-Hinspielsieg gegen Sparta gesagt. Durch die Abschaffung des Rote-Linien-Abseits und strenge Regelanwendung bei Behinderung wird in der EHL schneller und dynamischer gespielt.

Dennoch steigt die Popularität des Wettbewerbs nur langsam und ist noch weit entfernt vom Interesse, das die Basketball-Euroleague oder gar der Europapokal im Fußball findet. „Die EHL beginnt, ein stabiles Produkt zu werden, ist etablierter und weltweit anerkannt“, zeigt sich IIHF-Generalsekretär Jan-Ake Edvinsson dennoch, was die Zukunft betrifft, vorsichtig optimistisch. Und auch Peter John Lee sieht durchaus Perspektiven. „Die Europaliga ist noch jung“, gibt der Eisbären-Coach zu bedenken. „Wenn man dagegen überlegt, wie alt die Champions League im Fußball ist.“