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115 cm Aufklärung

■ Medien betrachten sich selbst: Arte besuchte britische Boulevardblätter sowie den TV-Fälscher Born und will uns damit einen ganzen Abend lang aus der "Medienfalle" führen (ab 20.45 Uhr)

Medien sind doof, böse, chic und manchmal richtig prima. Von mir aus hin und wieder auch total informativ oder „the message“ selbst. Und wenn sich Medien selbst zum Thema erheben, steht zumeist besonders hochwertige Aufklärung auf dem Programm. Wobei auf seiten des Konsumenten natürlich ein gerüttelt Maß an Skepsis nicht schaden kann, weil die Mittel der Aufklärung – notgedrungen – die sind, über die da aufgeklärt werden soll. Aber wenn der Kulturkanal Arte einen Themenabend „Die Medienfalle“ veranstaltet, wird man ja wohl davon ausgehen können, daß es da anders zugeht als in jenen ungeheuer investigativen RTL2-Reportagen, wo Aufklärung über die „üblen Machenschaften der Pornobranche“ lediglich den Vorwand liefert, möglichst viele Titten quotenfördend ins Bild zu rücken.

Und natürlich geht es hier bei Arte auch total anders zu. So informiert beispielsweise Pierre Hodgson in seinem Beitrag „Fun, Fun, Fun“ zum Auftakt des Abends über die wundersame Welt der britischen Yellow press, gegen deren Flegeleien, so hatte man ja hin und wieder schon gehört, unsere Boulevardblätter noch hochseriös sind. Hodgson spricht mit Redakteuren, Herausgebern, Lesern und Agenten für Skandalgeschichten, zeichnet die Geschichte eines ehemaligen Tory-Abgeordneten nach, dem eine Sex-Falle zum Verhängnis wurde, und läßt sich mit Königshaus-Reporter James Whitaker im offen Rolls durch London chauffieren. Schampus inklusive.

Wobei Herausgeber über den „mörderischen Wettbewerb“ klagen, sich Skandaljournalisten schizoid geben („Den Menschen gebe ich an der Pforte ab; ins Büro geht nur der Journalist.“) und der Chronist der Royals erklärt, was er nachts vor Dis Appartement trieb. Das alles ist vorwiegend launig und ohne Zeigefinger inszeniert, bleibt aber auch von eher bescheidenem Informationswert. Ein paar Zahlen über Auflagenstärke oder die Antwort auf die Frage, welches der einschlägigen Blätter eigentlich nicht Rupert Murdoch gehört, hätten hier durchaus nicht schaden können. Dafür schaut Hodgson dann aber verdächtig oft bei den Shootings für die (Nackedei-)Seite 3 der Blätter zu. In gänzlich aufklärerischer Absicht, versteht sich.

Und gänzlich ohne anschauliches Beweismaterial dürfte es auch im Beitrag „Skandal um Mimi“ (21.45 Uhr) kaum abgehen, der die Schmutzkampagne der griechischen Presse um die ehemalige First Lady Dimitra Papandreou rekonstruiert. „Man verzieh der attraktiven blonden Stewardeß mit 115 cm Oberweite nie,...“, frohlockt dazu der Arte-Pressetext. Doch, istfür eine Programmankündigung schon irgendwie wichtig, das mit den 115 cm.

In „Fernseh-Lügen“ (22.15 Uhr) wendet sich das Fernsehen dann endlich sich selbst zu. Darin porträtiert Victoria Maplebeck den TV-Fälscher Michael Born und blickt hinter die Kulissen des Geschäftes, das unter Quotendruck zunehmend anfälliger für sensationslüsterne Mogelpackungen wird, die sich im Digital-Zeitalter zudem leichter herstellen lassen.

Zum Ausklang (ab 23.05 Uhr) gibt's noch zwei Filme über das Gewerbe der Paparazzi, die da vermutlich beim Fotografieren fotografiert wurden. Reinhard Lüke

Arte-Themenabend „Die Medienfalle“: „Fun Fun Fun – die wunderbare Welt der britischen Skandalpresse“, 20.45 Uhr; „Skandal um Mimi“, 21.45 Uhr; „Fernseh-Lügen – Portrait des TV-Fälschers Michael Born“, 22.15 Uhr; „Paparazzi (1)“ (1963), 23.05 Uhr; „Paparazzi (2)“ (1998), 23.25 Uhr

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