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■ DaumenkinoPauls Reise

Filmkinder haben ein Problem: Es gibt zu wenige von ihnen. Also denken Drehbuchschreiber, die armen Kleinen müßten exemplarisch gleich sämtliche Eigenschaften ihrer Altersklasse im möglichst schnellen Wechsel demonstrieren.

So ergeht es auch der Titelfigur in „Pauls Reise“, der gleichzeitig bockig und sensibel, phantasievoll und technisch begabt ist. Die Erwachsenen geraten da vergleichsweise eindimensional, vor allem sein Vater, gespielt von Peter Lohmeyer. Dessen nicht nur hervorstechendste, sondern fast einzige Eigenschaft ist die Abwesenheit und Unzuverlässigkeit, unter der der zehnjährige Paul ebenso leidet wie unter seiner Leukämieerkrankung. Als Paul sich vor einer Tour in den LKW seines Vaters schleicht, anstatt sich im Krankenhaus behandeln zu lassen, beginnt nicht nur eine von kleinen Katastrophen begleitete Reise nach Spanien, sondern natürlich auch die klassische Vater-Sohn- Geschichte.

Flott werden fortan sämtliche angeblich so beliebten Männerrituale wie Von-der- Klippe-Pinkeln, Gemeinsam-Frauen-Abschleppen, Zusammen-Rumgrölen und Gegenseitig-Geständnisse- Machen durchexerziert. Der arme Paul muß mal heimlich Taschentücher mit Blut vollspucken, dann seinen Vater beschimpfen: „Da warst eh nie da!“, „Du lügst doch!“, „Du tust nie, was du versprichst!“ Da mag er ja recht haben, aber Kinder sprechen nicht so. Auch haben sich nicht alle abwesenden Väter so einen hübsch symbolischen Beruf wie LKW-Fahrer ausgesucht.

Durch manchen Dialog schimmert so etwas wie die Ahnung, als ob da jemand doch gewußt hat, wie das so abläuft zwischen Eltern und Kindern, aber im nächsten Moment geht es dann wieder so hölzern zu wie im Mainstreamrock von Fury in the Slaughterhouse.

Doch all dies macht zumindest teilweise eine Kamera wett, die sich im sonnendurchfluteten Spanien zwar manchmal in Postkartenansichten verliert, aber für einen Jugendfilm doch außergewöhnlich anspruchsvoll geraten ist. Das Roadmovie endet schlußendlich dann doch noch versöhnlich in einem Krankenhaus, und wie es sich gehört, war wieder einmal allein der Weg das Ziel. to

„Pauls Reise“. Regie René Heisig. Mit Peter Lohmeyer, Niccolo Casagrande u.a., 88 Min., D 1998

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