Seit vor vier Wochen die USA und Großbritannien den Irak bombardierten, herrscht Kalter Krieg zwischen Saddam Hussein und der UN. Bagdad und Washington beharren auf Maximalpositionen, die Waffenkontrollen sind blockiert. Nun will Frankreich politische Bewegung in den Konflikt bringen.
Von Andreas Zumach

Rückkehr der Kontrolle

Vier Wochen nach den amerikanisch-britischen Militärschlägen gegen Irak kommt es endlich zu ernsthaften Bemühungen um eine Neugestaltung der Beziehungen zwischen Bagdad und der UNO. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wird voraussichtlich heute mit offiziellen Beratungen über französische Vorschläge beginnen, die der Pariser UNO-Botschafter Alain Dejammet bereits am Dienstagabend informell mit seinen Amtskollegen aus den anderen vier ständigen Ratsmitgliedern (USA, Rußland, China und Großbritannien) erörtert hat.

Frankreich plädiert für die Aufhebung des 1991 verhängten Ölembargos gegen Irak. Wie schon beim Programm „Öl für Nahrungsmittel“, das dem Irak gestattet, halbjährlich Rohöl im Wert von bis zu 5,2 Milliarden Dollar zu verkaufen, soll auch künftig durch internationale Kontrollen sichergestellt werden, daß Bagdad mit dem Erlös aus Ölexporten keine Waffen oder für Rüstungsprogramme nutzbare Güter einkauft. Die Pariser Regierung setzt darauf, daß das Regime von Saddam Hussein im Gegenzug einer Wiederaufnahme der infolge der amerikanisch-britischen Militärschläge völlig eingestellten Rüstungsüberwachung durch die UNO-Sonderkommission Unscom zustimmt. Allerdings sollen die Unscom-Inspekteure nach den französischen Vorstellungen künftig nur noch bereits bekannte Militäranlagen kontrollieren. Zudem plädiert Paris für einen verstärkten Einsatz von Kameras und anderer technischer Mittel zur Überwachung von Anlagen und Einrichtungen auf irakischem Territorium, die potentiell zur Herstellung oder Lagerung von Rüstungsgütern in Frage kommen.

Zumindest inoffiziell will sich Frankreich nach Informationen aus diplomatischen Kreisen auch für eine veränderte personelle Zusammensetzung der von US-Amerikanern und Briten dominierten Unscom einsetzen sowie für die Ablösung ihres zunehmend umstrittenen Chefs Richard Butler. Seit bekannt wurde, daß Butler Mitte Dezember die abschließenden Bewertungen seines letzten Berichts an den Sicherheitsrat in Absprache mit der Clinton-Administration redigierte und verschärfte, wird ihm vorgeworfen, er habe sich in Verletzung seines UNO-Auftrages für die nationalen Interessen der USA einspannen lassen. Butlers Bericht diente Washington und London wesentlich zur Rechtfertigung der Militärschläge gegen Irak.

Sollte der Sicherheitsrat die französischen Vorschläge übernehmen, könnte sich das Regime in Bagdad eine Ablehnung kaum leisten. Es dürfte sie gegenüber der eigenen Bevölkerung und der arabischen Welt als Sieg für die eigene Position verkaufen. Bei den informellen Beratungen der fünf ständigen Ratsmitglieder am Dienstagabend stieß die Pariser Initiative nach Angaben eines Teilnehmers auf Zustimmung bei China und Rußland, Zurückhaltung bei Großbritannien und deutliche Skepsis bei den USA. Die Aufhebung oder auch nur teilweise Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegen Irak, ohne daß die Unscom und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien zuvor offiziell die Erfüllung der im Frühjahr 1991 vom Sicherheitsrat verhängten Abrüstungsauflagen in allen vier Bereichen (atomare, chemische und biologische Waffen sowie ballistische Raketen) bestätigen, wurde bislang von den USA und Großbritannien rundweg abgelehnt. An dieser Haltung scheiterten in den letzten Jahren alle Initiativen für ein schrittweises Vorgehen.

Für den Atomwaffenbereich steht die IAEO kurz vor einer entsprechenden Bestätigung. Offiziell beharren London und Washington bislang auch immer noch auf der Wiederaufnahme der Unscom- Mission mit unverändertem Mandat und unter der Leitung des umstrittenen Richard Butler. Mit dem Thema Irak befaßte Experten in der New Yorker UNO-Zentrale halten diese Forderung allerdings für völlig unrealistisch.

Anfang dieser Woche ließ auch Unscom-Chef Butler erstmals in einer offiziellen Stellungnahme Zweifel erkennen, daß die Unscom mit ihrem bisherigen Mandat, in ihrer bisherigen Zusammensetzung und unter seiner Leitung jemals wieder ihre Arbeit im Irak aufnehmen wird. Und auch hinter den Kulissen der Clinton- Administration wie der Regierung Blair wird diese bislang noch nach außen vertretene offizielle Forderung zunehmend in Frage gestellt. Ob und wann diese Zweifel und Bedenken sich durchsetzen und zu einer substantiell veränderten Politik gegenüber Irak führen, hängt in erster Linie von den Kalkülen und Interessen Washingtons ab.

Solange Präsident Bill Clinton das Impeachment-Verfahren nicht endgültig überstanden hat, dürfte er sich kaum dem Risiko aussetzen, mit einer Revision der Irak- Politik zusätzliche Kritik und den Vorwurf der Schwäche auf sich zu ziehen. Aber auch langfristig ist unklar, welche Strategie die USA gegenüber Irak verfolgen. Geht es Washington darum, die vom UNO-Sicherheitsrat verhängten Abrüstungsauflagen gegen Irak tatsächlich durchzusetzen? Immer deutlichere Zweifel an den Absichten seiner eigenen Regierung äußert Scott Ritter, ehemaliger US-Marine und bis zu seinem Rücktritt Ende August letzten Jahres über sechs Jahre führender US-Amerikaner unter den Unscom-Inspekteuren, der wegen seiner Hartnäckigkeit und Erfolge beim Aufspüren verborgener Rüstungsgüter beim Regime in Bagdad besonders verhaßt ist.

Linke Kritiker sehen Zeit zunehmende Anzeichen, daß Washington vorrangig zwei andere Ziele verfolgt: Irak auf Dauer unter internationaler Überwachung zu halten und damit die uneingeschränkte Rückkehr Iraks auf den Weltölmarkt zu verhindern. Zum zweiten diente der Irak als griffigstes Beispiel für die neue Bedrohung durch mit Massenvernichtungswaffen hantierende „Schurkenstaaten“, eine Bedrohung, gegen die sich die USA und ihre Nato-Verbündeten durch neue Atomwaffen und eine neue Strategie der „militärischen Counterproliferation“ zu wappnen hätten.