Ein bißchen wie Autoscooter

■ Der RSC Hamburg gewinnt den Ladies-Cup im Rollstuhl-Basketball Von Claudia Thomsen

Stefanie Petersen spielt in Doc Martens. Den um die Qualität der Bodenbeschichtung besorgten Hallenwart des Sportzentrums am Gropiusring treibt die Frau mit dem angepunkten Bürstenschnitt dennoch nicht zur Weißglut: Die 22jährige Hamburgerin spielt schließlich RBB – Rollstuhl-Basketball. Bei den Deutschen Meisterschaften (DM) der Frauen im Mai als größtes Hamburger Nachwuchstalent gefeiert, gibt die Newcomerin in der Vorrunde des Ladies Cup bereits den Ton zur rituellen Einstimmung an. „Hamboach“, ruft sie und muß nicht lange auf das herzhafte „Hau wech“ ihrer im Kreis versammelten Mitspielerinnen warten.

Die Hände der Frauen liegen beim Schlachtruf auf der von Stefanie Petersen. Es geht eben um professionelle Teamgeist-Demonstration, was immer auch die Einschüchterung der Gegnerinnen meint. Die Selbstanfeuerung freilich hat das erste RSC-Team – zu den acht Teilnehmern zählt auch die zweite RSC-Mannschaft – zumindest in den drei Vorrundenbegegnungen nicht nötig. Mit deutlichem Vorsprung werden Schleswig-Holstein und Heidelberg-Kirchheim abserviert. Im Match gegen die SG Main-Kinzig wird es dann sehr traurig. Die Gäste haben kaum Zeit, die eine oder andere über die herbe Niederlage gegen Heidelberg vergossene Träne von ihren lila Shirts zu wischen, da haben sie schon wieder verloren – 6:61. Sind derlei Tragödien etwa normal im Frauen-RBB?

„Die Leistungsunterschiede sind sehr groß. Manche Teams kommen eben nur vier- oder fünfmal im Jahr dazu, in der heutigen Besetzung zu trainieren und in Hamburg spielen ja auch drei Nationalspielerinnen“, weiß RSC I-Coach Peter Richarz. Der Ex-Nationaltrainer der Frauen, mit Nickelbrille und Ohrring so eine Art Volker Finke des Frauen-RBB, ist sich sicher, daß seine Frauschaft im Finale um den Cup wie auch im DM-Finish auf RTB Uni Bochum treffen wird – ein Team mit „ähnlich professionellen Strukturen“. Da die Meisterschaft knapp vergeigt wurde, fiebert der RSC einer Revanche entgegen.

Daß sich in der Szene der 130 deutschen Rollstuhlbasketballerinnen so wenig tut, liegt wohl auch daran, daß der Ligabetrieb gemischtgeschlechtlich läuft. Dämpfend für's Engagement ist die Tatsache, daß selbst Nationalspielerinnen nicht an den Männern vorbei und deshalb über die Regionalliga nicht hinauskommmen. „Man kommt nicht los von so einem 100-Kilo-Teil“, beschreibt die Hamburger Nationalspielerin Heidi Kirste die Crux des gemischten Spiels. Das Blocken der GegnerInnen kombiniert mit dem Aufbau des Überzahlspiels stellt ein wesentliches Element des RBB dar, weshalb traditionell männliches Potential, Kraft und Größe also, nur durch Schnelligkeit und Distanzwürfe zu überwinden ist. Für das Ausspielen von Raffinesse und Taktik bietet sich Frauen „entre nous“ nur zweimal jährlich Gelegenheit: bei der DM und dem Ladies Cup.

„Elf, elf, elf“ oder „sechs, sechs, sechs“ rufen die Frauen in Steilshoop, um die Übernahme einer Gegenspielerin anzuzeigen. Denn was für viel deutsche Kicker noch ein Riesenproblem darstellt, ist im RBB längst Realität: die Raumdeckung. Für Laien beeindruckend das punktgenau-schnelle Wenden der Sportrollstühle auf kleinstem Raum, ein Manöver, das, besonders im Gedränge unter dem Korb, an Dom-Autoscooter erinnert.

Trotz aller Finesse wird beim Rollstuhlbasketball ebenso oft gefoult, wie beim Fußgänger-Basketball, „nur anders“, berichtet Schiedsrichter Thomas Schröder. Dem ordinären Beinstellen entspricht das Hineinfahren ins Rad der Gegnerin mit der Fußraste. „Es fällt auch mal ein Stuhl um“, bilanziert Kirste cool. Die Hamburgerin Annette Kahl ist zum Erstaunen Unwissender dabei zu beobachten, wie sie sich aus einem eben solchen per pedes pellt, den Stuhl wieder aufstellt und Platz nimmt. Eine Simulantin? Ihre Handicap-Einstufung 4,5 gibt Aufschluß.

Seit der letzten Bundesliga-Saison dürfen auch FußgängerInnen solange mittun, wie ein Team die Einstufungszahl 14 nicht überschreitet. 4,5 zählen dabei keine bis leichte Handicaps wie ein amputierter Fuß. Mit der Höhe der Lähmung und der damit verbundenen sinkenden Stabilität im Rollstuhl nimmt die Handicap-Zahl bis eins ab. „Wie Blumen im Wind“ seien die Einser-KandidatInnen, erzählt Heike Prengemann aus dem RSC II Team, das im Halbfinale gegen die eigene erste Mannschaft verlor. Die traf, wie Peter Richarz schon vorher ahnte, im Finale auf Bochum und siegte mit 31:28 nach Verlängerung. „Die Revanche ist geglückt“, strahlte Richarz. Für die Siegerinnen gab's ein Buddelschiff.

Die weiteren Plazierungen: 3. Heidelberg, 4. RSC II, 5. Münster, 6. Schleswig-Holstein, 7. SG Main-Kinzig und 8. Niedersachsen.