Blutiges Ende einer Knastrevolte

■ Polizeitruppen stürmen Hochsicherheitsgefängnis in Aserbaidschan und erschießen dabei elf prominente politische Gefangene

Istanbul (taz) – Einer der bekanntesten politischen Gefangenen in Aserbaidschan, General Walid Musajew, ist am vergangenen Wochenende im Hochsicherheitstrakt in Gobustan erschossen worden. Mit Musajew starben zehn weitere Gefangene, unter ihnen ein hoher ehemaliger Offizier der Sondereinheiten Opon, Faik Bakshalijev. Die politischen Gefangenen in Gobustan hatten in der Nacht vom 7. zum 8. Januar einen Gefängnisaufstand inszeniert und wollten ihre Freilassung und Ausreise erzwingen.

In einer ersten Version hatte das Innenministerium in Baku behauptet, die Gefangenen hätten armenische Kriegsgefangene als Geiseln genommen und wollten nach Armenien fliehen. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums in Aserbaidschan spielte sich das gesamte Drama jedoch innerhalb der Gefängnismauern ab. Nach zehnstündigen Verhandlungen hätten Polizeitruppen den Knast schließlich gestürmt und alle Aufständischen erschossen. Walid Musajew, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister, war einer der reichsten Männer Aserbaidschans. Er war an der Ablösung des früheren Präsidenten Elcibey beteiligt und im März 1995 Anführer eines Putschversuches gegen Haidar Alijew. Damals soll er im Auftrag der russischen Regierung gehandelt haben.

Der ebenfalls getötete Faik Bakshalijew war Kommandeur der Opon-Einheiten in der von den Armeniern eroberten Stadt Agdam, östlich von Karabach. Diverse Opon-Truppen, Spezialeinheiten für den Kampf in der Enklave Berg-Karabach, waren an dem Putsch gegen Alijew beteiligt.

Der Hochsicherheitsknast von Gobustan liegt 70 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Baku und ist das zentrale Gefängnis für politische Gefangene. Nach Angaben der Menschrechtsorganisation von Aserbaidschan (HRZA) sitzen rund 900 politische Gefangene in Aserbaidschan im Knast oder im Arbeitslager, darunter rund 550, die wegen Umsturzversuchen eingesperrt wurden.

Der größte Teil der übrigen politischen Gefangenen gehört zur Volksfront des früheren Präsidenten Elcibey, die das größte Oppositionsbündnis in Aserbaidschan organisiert. Die Volksfront hatte die Präsidentenwahlen im letzten Jahr boykottiert, weil Präsident Alijew die Opposition systematisch behinderte.

Die Menschrechtsorganisation von Aserbaidschan wies gestern noch darauf hin, daß einem bekannten iranischen Oppositionellen, Mohammed Ali Galibi, die Abschiebung von Baku in den Iran droht. Galibi gehört zur aserischen Minderheit im Iran und kämpft für die Vereinigung von Süd- und Nordaserbaidschan. Die Menschrechtsorganisation fürchtet um sein Leben, falls er ausgeliefert wird. Jürgen Gottschlich