Monogeschlechtliches sabotieren

Ein ausverkauftes Molotow und einige Irritationen: Das Berliner Label Flittchen-Records präsentierte „Female Gesang, Gitarren und Elektronik“  ■ Von Michael Hess

Und dann war es doch wieder nur ein Typ, der als erster auf die Bühne schlich. MC Eye kam im Auftrag der Patinnen Teil 2 extra aus New York, und obwohl er tatsächlich ein wenig den Don Corleone mimte, hielt sich der Rapper eher gekuscht. In ergebenster Distanz zu den Donna Maya und Donna Neda unterlegte er deren Drum & Bass mit einem ruhigen, aber kräftigen Flow aus Reim und Wort.

Es sollte an diesem Abend nicht die einzige Irritation im ausverkauften Molotow bleiben. Unter dem vielversprechenden Motto „Stolz & Vorurteil – A compilation of female Gesang, Gitarren und Elektronik“ präsentierte das Berliner Label Flittchen-Records den gleichnamigen Sampler und versprach einen Abend mit Festivalcharakter. Was aber sollte großartig anders sein als sonst? Labelchefin Christiane Rösinger machte nur kurz zu Beginn auf das selbstgesteckte Ziel der Unternehmung aufmerksam. Es gelte die monogeschlechtlichen, sprich männlichkeitsdominierten Strukturen der Musikbranche „geduldig zu sabotieren“. Letzteres freilich eine Frage der Betonung. Und wer Rösinger noch von den Lassie Singers her kennt, weiß, daß Dogmatismus zum Glück noch nie ihre Stärke war. Die zahlreichen Jungs im Publikum durften also ebenso dem Amüsement frönen wie diejenigen Frauen, die auch in erster Linie wegen des Mediums und nicht wegen der Message gekommen waren.

Also erst einmal Musik. Nach den Murder-Beats der Patinnen kam mit Miyax der unerwartete Mörder-Wumms. Das junge Trio aus Bremen und Potsdam vertraute dem denkbar einfachsten, aber wirkungsvollsten Prinzip „One, two, three, four!“ und kam so manchmal nur bis zweieinhalb. Punk-Rock galore! So schnell und quirlig, geschmeidig und vertrackt, wie er auch vor zehn Jahren nicht besser auf einem Jungs-Label wie SST hätte erscheinen können. Mit Katrin Achinger folgte dann der baldige Generationenwechsel. Die Grande Dame nordelbischer Tristesse – Geschwindigkeit, gar Lärm war ihre Sache nie. So sang sie „River Songs“, wie eine Nachbarin dankenswerterweise bemerkte. Ein breiter Strom voll Tiefsinn und Sehnsucht im ruhigen Fluß der Gezeiten.

Daß Melancholie indes auch berühren kann, zeigte Rösingers neue Band. Britta lieferten zahlreiche veritable Tricks, sich im Jammertal besser zurechtzufinden. Vor allem sollte sich frau nicht vorschnell vom erlesenen Musikgeschmack ihrer männlichen Mitmenschen blenden lassen. Der Song hieß trefflich „Kuschelrock“.

Als dann der Abend allzu harmonisch auszuklingen drohte, kamen Parole Trixi. Tatsächlich gelingt es Sandra Grether, mit ihrem Gesang ähnlich zu polarisieren wie einst ihre amerikanischen Heldinnen von Team Dresch bis Bikini Kill. Punk-Rock als Mittel zum Zweck. Das Publikum schwankte fortan zwischen Mitleid und Meineid. Dagegen wirkten schließlich selbst TGV unverkrampft, locker und ließen ihrem glamourösen Wahnsinn freien Lauf. Leider verstand niemand, worüber Elena Lange da eigentlich sang. Aber vielleicht ging es an diesem Abend auch um ganz andere Dinge.