Franzosen sollen aussteigen

■ Umweltminister Trittin in Paris, um über den Ausstieg aus den Atomverträgen zu sprechen. 40 Castor-Transporte und Milliarden Schadenersatz angedroht. Briten fordern ebenfalls

Paris/Berlin (dpa/AFP/taz) – Jürgen Trittin war zwei Tage zu Atomgesprächen in Frankreich, und er versuchte es zunächst nach dem Motto „Frechheit siegt“: In einem Gespräch mit der linksliberalen Libération (Freitagsausgabe) sagte er, auch die französischen Atomkraftwerke seien für ihn ein Grund zur Beunruhigung. Auf die Frage, ob er Frankreich denn zum Ausstieg aus der Atomenergie „ermutigen“ würde, antwortete Trittin: „Natürlich“, auf eine hochsubventionierte zivile Nutzung der Kernenergie setzten heute nur noch Länder wie Indien oder Pakistan, die dabei militärische Hintergedanken hätten.

Doch die Franzosen ließen sich den Schneid nicht abkaufen. Nach dem Treffen mit dem Wirtschafts- Staatssekretär Christian Pierret (Minister Dominique Strauss- Kahn hatte „Terminschwierigkeiten“) wollten weder Trittin noch Pierret etwas sagen. Teilnehmer berichteten jedoch, daß sich Trittin bereit erklärt hatte, bereits in der WAA in La Hague aufgearbeitete Brennstoffe aus deutschen AKW zurückzunehmen. Das ist eine Selbstverständlichkeit – die Frage ist nur, wann.

Die Betreiberin der WAA am Ärmelkanal, die weitgehend staatseigene Cogema, nannte eine Zahl von 30 bis 40 Atomtransporten, die nötig seien, um die 3.800 Tonnen bei der Wiederaufarbeitung bisheriger Lieferungen aus Deutschland angefallenen Atommülls zurückzubringen. Ein Transport sei bereits startbereit.

Bei eventuellen Schadenersatzforderungen war die Cogema gestern nicht bescheiden: Die bestehenden, bis 2010 laufenden Verträge müßten eingehalten werden. Wenn nicht, entstünde der Cogema ein Verlust von 30 Milliarden Francs (neun Milliarden Mark) – obwohl die deutschen AKW-Betreiber zusammen mit ihren japanischen Kollegen die Plutoniumfabrik Nummer 3 (UP-3) in La Hague auf ihre Kosten gebaut haben. Die ebenfalls grüne Umweltministerin Dominique Voynet meinte nach einem Treffen gestern mit ihrem deutschen Kollegen, ihre Regierung hätte sich noch nicht für eine Haltung in dem Streit entschieden.

Die Betreiber der WAA in Sellafield an der Irischen See sprachen ebenfalls von „harten Schadenersatzforderungen“, ohne eine Summe zu nennen. Ein Sprecher der staatlichen Gesellschaft British Nuclear Fuels (BNFL), die die Thorp-Aufarbeitungsanlage betreibt, bezifferte am Freitag das Volumen der deutschen Aufträge auf 1,2 Milliarden Pfund. Umweltminister Jürgen Trittin wird am nächsten Mittwoch zu einem Gespräch mit seinem britischen Amtskollegen Michael Meacher erwartet. rem