Die IRA droht mit einem Ende der Waffenruhe

■ Die Bildung einer nordirischen Allparteienregierung scheitert noch an der Abrüstungsfrage

Dublin (taz) – Heute tritt das nordirische Regionalparlament zum erstenmal in diesem Jahr zusammen. Der designierte Premierminister, Unionistenchef David Trimble, und sein Stellvertreter Seamus Mallon von den katholischen Sozialdemokraten sollen über „Fortschritte bei der Umsetzung des britisch-irischen Abkommens vom Karfreitag“ berichten.

Seit der letzten Sitzung Ende vorigen Jahres hat es eine Reihe von bilateralen Verhandlungen gegeben, um die Frist zu wahren: Bis Ostern soll die Macht von London auf das 108köpfige Belfaster Parlament mit seinen zehn Ministerien übertragen werden, die künftig über Bildung, Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit, Soziales und Wirtschaftsentwicklung entscheiden sollen. Doch dazu bedarf es der Ernennung einer Regierung, an der alle im Parlament vertretenen Parteien analog zum Wahlergebnis beteiligt sein müssen.

Das ist bisher jedoch an der Frage der Abrüstung gescheitert. Trimble weigert sich, dem politischen IRA-Flügel Sinn Féin die beiden Ministerien zu gewähren, die ihm zustehen, solange die IRA nicht ihre Waffen herausrückt. Der Sinn-Féin-Vorsitzende Mitchel McLoughlin sagte, im Abkommen sei keine Rede von einer IRA- Waffenabgabe als Vorbedingung für Sinn Féins Regierungsbeteiligung. Seine Partei habe jedoch nicht die Absicht, „auf Trimbles Provokation mit dem Rückzug aus dem Parlament zu reagieren“.

Nun hat sich auch der britische Premier Tony Blair eingeschaltet. „Der Beginn der Abrüstung würde mehr als jede andere Maßnahme das Vertrauen zwischen beiden Bevölkerungsteilen fördern“, sagte er. Die Democratic Unionist Party des reaktionären Pfarrers Ian Paisley hat rechtliche Schritte angedroht, falls die nordirische Regierung gebildet werde, solange die Waffen nicht abgegeben sind.

Die IRA hat in einer Presseerklärung eine deutliche Warnung ausgesprochen: Bei ihren Leuten mache sich „immer mehr Ärger“ über David Trimble breit. Die Situation sei wie im Februar 1996, als der IRA-Waffenstillstand mit dem Bombenanschlag in den Londoner Docklands beendet wurde. Man frage sich, ob die britische Regierung sich abermals dem unionistischen Veto beugen werde.

Die IRA-Absplitterung „Continuity IRA“ (CIRA), die als einzige nordirische Organisation keine Waffenruhe erklärt hat, soll mittlerweile eine Einheit nach England geschickt haben, um Bombenanschläge vorzubereiten. Am Freitag hat die CIRA ein Polizeirevier in West-Belfast angegriffen. Ein Teil ihrer Waffen, so behaupten die britischen Sicherheitskräfte, sei der CIRA von IRA-Mitgliedern zugespielt worden, die mit dem Waffenstillstand unzufrieden sind.

Michael McGimpsey, einer von Trimbles Abgeordneten im Regionalparlament, sagte: „Das beweist, daß unsere Entscheidung weise war, auf die Herausgabe der Waffen zu bestehen, bevor wir eine Regierung ernennen.“ Billy Hutchinson vom politischen Flügel der paramilitärischen Ulster Volunteer Force, prophezeite: „Der ganze Friedensprozeß geht immer schneller den Bach hinunter, wenn wir nicht bald einen Weg finden, die Abrüstungsfrage zu lösen.“ Ralf Sotscheck