Minenfrage noch nicht entschärft

Im Koalitionsvertrag hat sich Rot-Grün für ein weltweites Minenverbot ausgesprochen. Wenn morgen der Haushaltsplan für 1999 vorliegt, wird sich zeigen, ob dies auch Auswirkungen auf die Bundeswehr haben soll  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Die Bundesregierung „macht ihren Einfluß geltend, um ... besonders grausame Waffen wie Landminen weltweit zu verbieten“, heißt es im Koalitionsvertrag. Nimmt die Regierung ihre eigenen Worte ernst, müßten sämtliche Gelder für Forschung, Entwicklung und Anschaffung von Minentechnik komplett gestrichen werden.

Doch Kritiker befürchten, daß der neue SPD-Verteidigungsminister auf Kontinuität setzen wird. Seine Mannen auf der Hardthöhe wollen den Haushaltsplan für 1999 noch nicht bekanntgeben. Erst nach einem Gespräch zwischen Finanzminister Oskar Lafontaine und Verteidigungsminister Rudolf Scharping könne man sich äußern, hieß es vor Tagen. Doch offenbar will Lafontaine jetzt doch auf eine Absprache vor der offiziellen Abstimmung des Gesamthaushaltsplans im Kabinett am 20. Januar verzichten.

Etwa 100 Millionen Mark Steuergelder hat Deutschland im vergangenen Jahr für militärische Minentechnik ausgegeben. In der Entwicklungsphase befand sich zuletzt die Cobra – ein Produkt aus dem Hause Rheinmetall. Sie kann mit Raketenwerfern verlegt werden und an einem Fallschirm zu Boden schweben. Das 310 Millionen Mark teure Entwicklungsprojekt läuft seit 1995, die Hauptfinanzierungsphase der Beschaffung stand nach Planung der alten Bundesregierung aber erst noch bevor. Minengegner fragen jetzt, wie sich die neue Bundesregierung zu diesem Projekt verhalten wird.

Auf der Einkaufsliste der deutschen Militärs sind außerdem noch immer einige tausend Minen vom Typ Parm1 verzeichnet, die das Daimler-Tochterunternehmen Dasa herstellt. Und zur Zeit läuft ein deutsch-französisch-britisches Gemeinschaftsprojekt zur Entwicklung der Mine Arges, die als Nato-Standard vorgesehen ist. Von deutscher Seite ist Dynamit Nobel daran beteiligt. Anfang der 90er Jahre plante die Bundeswehr, später einmal 50.000 Stück davon zu ordern. Kostenpunkt damals: 278 Millionen Mark. Die zur Zeit noch laufende Forschungsphase hat die deutschen SteuerzahlerInnen vermutlich bereits 20 Millionen Mark gekostet.

Laut „Soldat und Technik“ begann erst im vergangenen Jahr die Entwicklung einer Fernschaltungs- und Programmiereinrichtung namens MKS. „Vermutlich geht es darum, u.a. die bei der Bundeswehr bereits vorhandenen AT-2-Minen aufzurüsten und sie an- und abschaltbar zu machen“, meint Thomas Küchenmeister, Waffenexperte beim Berliner Institut für Transatlantische Sicherheit (BITS), das sich seit Jahrzehnten für Abrüstung einsetzt und internationale Kontakte zu anderen Waffengegnern pflegt.

Zur Zeit verfügt die Bundeswehr über mehr als 1,5 Millionen Anti- Panzer-Minen. Hinzu kommen 200.000 Submunitionsminen, die zusammen mit anderen Waffensystemen vom Tornado abgeworfen werden können. Die perfideste Sorte unter ihnen ist die MUSPA. Aktiviert durch Motorengeräusche verschießt sie Splitter und zerfetzt damit alle Menschen in der Umgebung. Während die Bundeswehr behauptet, es handele sich dabei um eine ausschließlich gegen Fahrzeuge gerichtete Mine, die nicht gegen das internationale Anti-Personen-Minen-Verbot von Ottawa verstoße, sind die Militärs in den USA ganz anderer Meinung: Auf ihrer Website (http://www.demining.brtrc.com/) wird die MUSPA als Anti-Personen-Mine klassifiziert.

Wenn es um die Verlegung von Minen geht, wünschen sich die Bundeswehrkommandanten mehr Sicherheit für ihre Soldaten. Bereits im Einsatz ist das System MW1 aus dem Hause Dasa. Dabei handelt es sich um einen sargähnlichen Behälter, der unterm Kampfflugzeug angebracht ist und Minen und andere Munitionen per Gasdruck über einem Ziel ausstößt. Damit der Pilot gar nicht erst die Kampfzone mit seiner tödlichen Fracht überfliegen muß, werden gegenwärtig Taurus 350-A und AFDS entwickelt. Dabei wird der gesamte Behälter vorab abgeworfen, der dann zur Erde schwebt und über dem Ziel die Minen verstreut. Langfristig wünschen sich die Militärs jedoch ein System, welches über einen eigenen Jet-Antrieb verfügt und seine Minenladung bis zu 1.000 Kilometer weit wie eine Rakete transportieren kann.

Für humanitäre Minenräumung in aller Welt hatte die alte Bundesregierung im vergangenen Jahr schließlich 18 Millionen Mark veranschlagt, nachdem im Haushaltsentwurf noch deutlich weniger dafür vorgesehen war. Die Bündnisgrünen hatten für eine komplette Umwidmung der militärischen Mineninvestitionen zugunsten der Räumung plädiert – genau wie Tausende von BürgerInnen, die die Anti-Minen-Kampagne von medico und taz unterstützten.

Auch der heutige Finanzminister Oskar Lafontaine hat sich 1997 in einer Medico-Anzeige für „Räumt die Mine“ stark gemacht. „Und Außenminister Joschka Fischer hat uns gerade vor ein paar Tagen geschrieben, er wolle sich persönlich für eine Aufstockung der Mittel für humanitäre Minenräumung einsetzen“, sagt Medico- Geschäftsführer Thomas Gebauer.

Nach dem 20. Januar wird deutlich werden, inwieweit die Regierenden Wort halten. Annette Jensen