Ein Energiebroker im Kampf mit den Giganten

Nach dem Telefonmonopol ist auch das der Stromversorger gefallen. Die Berliner Ampere AG macht daraus ein Geschäft: Claus Rottenbacher und sein Bruder Arndt arbeiten als die ersten Strommakler in Deutschland, ihre Gegenspieler sind die großen Verbundunternehmen  ■ Von Jutta Wagemann

Noch fließt bei allen Berlinern Strom von der Bewag aus der Steckdose. Noch. Denn die satten Monopolzeiten des Energieversorgers sind – ebenso wie die aller anderen großen Stromunternehmen in Deutschland – seit April vergangenen Jahres vorbei. Seit fast einem Jahr ist durch das neue Energiewirtschaftsgesetz der Strommarkt liberalisiert. Doch nur wenige haben das bislang gemerkt. Die Brüder Arndt und Claus Rottenbacher aus Berlin gehörten zu den ersten.

„Das wird sich entwickeln wie der Telefonmarkt“, prognostiziert Claus Rottenbacher vollkommen gelassen – und voller Zuversicht. Der 33 Jahre alte Wirtschaftsingenieur und sein 35jähriger Bruder haben sich geschäftlich von diesem Markt abhängig gemacht. Im Juli gründeten sie die Ampere AG und sind damit die ersten Strommakler Deutschlands. Der neue Strommarkt kann für sie ein Millionengeschäft werden. Dabei müssen sie es allerdings mit Giganten als Gegenspielern aufnehmen. Die erste Runde dieses Spiels fand bereits in der vergangenen Woche statt.

Die Geschäftsidee der beiden Brüder ist denkbar einfach: Sie versuchen, möglichst viele Unternehmen zu gewinnen, die ihren Stromvertrag bei ihrem bisherigen Energieversorger kündigen – in der Regel eines der acht großen Verbundunternehmen in der Bundesrepublik – und statt dessen billigeren Strom bei anderen Anbietern einkaufen. Am Gewinn, den der jeweilige Betrieb durch die Einsparung macht, wird dann die Ampere AG beteiligt.

„Je mehr Abnehmer, desto niedriger der Preis“, heißt der simple Grundsatz, der hinter der Idee steckt. Der AG geht es nicht nur darum, den Preis der neuen Anbieter zu drücken. Je mehr Unternehmen sie unter ihren Fittichen hat, desto mehr Druck kann die Ampere AG – der Name leitet sich von der Einheit der elektrischen Stromstärke ab – auch auf die Monopolisten ausüben.

Denn die großen Energieversorger wie die Berliner Bewag verfügen über einen entscheidenden Vorteil: Ihnen gehören die Stromleitungen. Das neue Energiewirtschaftsgesetz verpflichtet sie zwar unter wenigen Ausnahmen dazu, auch Strom von anderen Anbietern durch die Leitungen fließen zu lassen. Die Höhe der Durchleitungsgebühr hat der Gesetzgeber jedoch nicht festgelegt. Eine Regulierungsbehörde wie für den Telefonmarkt gibt es zum Leidwesen der Brüder Rottenbacher nicht. „Für unsere Kunden müssen wir die Gebühr jeweils eigens aushandeln“, erläutert Claus Rottenbacher.

Er klagt darüber aber nicht. Denn in der Unübersichtlichkeit des Strommarktes und den schwierigen Verhandlungen liegt sein Geschäft. Kaum ein Unternehmen besitzt die Sachkenntnis, um sich selbst mit den Stromriesen anzulegen. Rottenbacher kennt seine Gegenspieler nur zu gut. Drei Jahre lang hat er als Mitarbeiter der Unternehmensberatung A. T. Kaerney, der zweitgrößten der Welt, ausschließlich Energieversorger beraten.

Daher sind ihm auch die Schwachstellen der großen Unternehmen bekannt. Den meisten sei noch gar nicht bewußt, daß sie mit einer Ware handelten, ist seine Erfahrung. Weil bislang jeder Betrieb und jeder Privatkunde seinen Stromvertrag automatisch von einem der großen Versorger bekam, „war die Stromlieferung die Lizenz zum Gelddrucken“, so Rottenbacher. Kundenorientierung oder Dienstleistungsbewußtsein seien in den meisten großen Stromunternehmen nicht zu finden.

Mit der Öffnung des Strommarktes ist das Klima für die Stromgiganten jedoch rauher geworden.

Vom Volumen her stagniere der Strommarkt, analysiert Rottenbacher. Im Klartext heißt das für die etablierten Energieversorger: Mit mehr Anbietern auf dem Markt wird ihr Anteil am Kuchen kleiner. Sie sehen es daher gar nicht gern, wenn Betriebe ihre Stromverträge kündigen.

Wie hart um größere Kunden gekämpft wird, deutet Rottenbacher nur zurückhaltend an. Mit Anrufen würden die untreuen Kunden unter Druck gesetzt, Preisnachlässe und scheinbar günstige neue Verträge als Lockmittel eingesetzt. „Die Verträge laufen dann über fünf Jahre und sind kaum kündbar“, erzählt Rottenbacher. Eine Riesendummheit, sich jetzt so fest zu binden. Derzeit seien schon Preisvorteile bis zu 20 Prozent erreichbar, wenn man zu neuen Anbietern wechsele. Der „Energiebroker“ rechnet damit, daß die Strompreise noch viel weiter sinken.

Anonymität für ihre Kunden ist bei Ampere angesichts des harten Kampfes der Energieversorger oberstes Gebot. Mehr als 100 mittelständische Berliner Unternehmen sowie etwa 50 Firmen im Bundesgebiet hätten sie beieinander – soviel läßt sich Claus Rottenbacher gerade noch entlocken. Namen oder konkrete Zahlen verschweigt er diskret. Nur so viel läßt er heraus: Bei seinen Verhandlungen mit der Bewag geht es um einen mehrstelligen Millionenbetrag im Jahr, der dem Berliner Stromriesen verlorengehen wird. Die erste Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche hat noch keine endgültigen Ergebnisse erbracht.

Bis auch Privatkunden im Stromwettbewerb mitspielen, wird es nach Rottenbachers Einschätzung noch eine Weile dauern. Der Gedanke der freien Stromwahl spreche sich gerade erst in der Industrie herum. Über die Unkenntnis in vielen Betrieben muß der Energiebroker oft schmunzeln. „Manche finden ihren Stromvertrag nicht mehr, andere haben ihn gar nicht unterschrieben“, erzählt er. Meistens müssen die Ampere- Mitarbeiter auch die Befürchtung zerstreuen, die Kapazitäten eines neuen Anbieters könnten ausgeschöpft sein, und plötzlich sei kein Strom mehr da.

Dieser Fall wird jedoch nie eintreten. Denn woher der Strom aus der Steckdose konkret kommt, kann ohnehin niemand sagen. „Ein Besetztzeichen wie beim Telefon“, sagt Rottenbacher leise triumphierend, „gibt es beim Strom nicht.“