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Klingt billig und geil

■ Nach 12 Jahren Abstinenz wagt sich der Rockabilly wieder ans Licht. Freitag ist großes Stelldichein im Schlachthof

Elvis lebt, behauptet ein Musical in Bremerhaven. Doch um den Rock'n'Roll und seinen weniger süßlichen Zwillingbruder, den Rockabilly, war es lange Jahre ruhig in Bremen. Die Zeit der Dunkelheit ist jetzt vorbei. Bald werden im Schlachthof wieder Teedy-Locken und spitze Wildlederschuhe zu sichten sein. Zu verdanken ist dies Thorsten Gluschke, dem Sänger und Gitarristen der Wild Black Jets.

Gluschke ist Bremer Rockabilly-Urgestein. Nach eigenen Angaben ist er „ganz schön alt“. Genaueres sagt er nicht. Aber: „Ich mache seit 18 Jahren diese Musik“. Gluschke spielte sein Leben lang Rockabilly. Erst bei „BeBop Vaseline“, dann bei den „Randy Rebels“, der größten Bremer Rockabilly-Legende der 80er Jahre.

Was für den Konzertorganisator den Sound der 50er so unwiderstehlich macht, weiß er selber nicht so genau: „Rockabilly, das ist einfach meine Musik.“ Das wurde ihm erst recht nach einem Ausflug in die Glamrock-Formation „Platin Bells“ deutlich. Mit den 1993 gegründeten „Wild Black Jets“ ist er wieder da, wo er seiner Ansicht nach hingehört: Bei hartem Neo-Rockabilly, einer Billy-Spielart, bei der auch modernere Gitarrensounds und Harmonien erlaubt sind. „Das höre ich am liebsten und kann ich am besten.“ Kann es bessere Gründe geben? Die „Jets“ spielen vor allem eigenes Material. „Wir wollen nicht in die Revival-Ecke“, sagt Gluschke. „Wir machen in der Gegenwart Musik. Rockabilly ist ein Stil, wie Jazz oder Blues. Ein Stück, das wir spielen, kann vierzig Jahre, aber auch erst drei Stunden alt sein.“

Doch egal aus welchem Jahrzehnt ein Rockabilly-Stück stammt: Kompli-ziert darf es niemals sein. Schließlich hat Simplizität einige entscheidendeVorteile: „Man muß sich beim Rockabillynicht so furchtbar konzentrie-ren. Dafür bleibt mehr Platz für Feeling.“ Das wird vor allem über Liebe, Party und eine noch heute rebellische Attitüde definiert. „Rockabilly ist, was für die Schwarzen der Blues war – die Musik für die Underdogs“, sagt Gluschke. „Da finde ich mich auch heute noch wieder. Ich habe keine Lust, mitzumachen, was da mit Gleichschaltung, Konsum und Kapitalismus läuft. Ich mag keine Kultur, die 'trendy' ist.“

Ganz ähnlich geht es einem anderen alten Szene-Hasen: Sven Bergmann, der Schlagzeuger des Rockabilly-Trios „The Original Stablemen“. „Ich weiß auch nicht, was die ganze andere Musik nicht hat ,und was der Rockabilly einfach hat. Aber er ist zumindest echt, nicht wie das, was im Radio dahin- plätschert“, sagt er. Für den Schlagzeuger ist es klar, wo man im ewigen Kampf zwischen handgemachter und künstlicher Musik stehen sollte. Acht Stunden pro Tag beschäftigt er sich nach eigenen Angaben mit Rockabilly. Er sammelt alte Originalplatten und bringt neue Scheiben auf seinem kleinen Label heraus. Er schreibt Artikel für Rockabilly-Magazine und seit kurzem auch Bücher zum Thema.

Eine Teddy-Locke wie 1987 trägt der 33jährige jetzt nicht mehr. Eine leichten Drall nach oben haben seine Haare aber immer noch. „Die haben sich an die Lockenform gewöhnt“, grinst er. „Aber Outfit, das ist nicht mehr so wichtig wie früher. Ich ziehe an, was ich gerade da habe. Das muß nicht eine 50er-Jahre Jeans sein.“ Nur auf der Bühne, da müssen die Klamotten stimmen, findet Sven. „Die Leute erwarten ja was.“

Musikalisch sind die „Stablemen“ Puristen, sagt der Rockabilly-Fanatiker. „Wir verzichten im Gegensatz zu anderen Rockabilly-Bands auf neue Einflüsse. Texte und Musik sollen authentisch nach den 50ern klingen.“ Das gilt auch für den Gesamtklang der Band. „Man braucht keine Original-Kabel aus dem Jahre 1958“, sagt Sven. „Aber der Sound muß schon stimmen.“ Bei den Aufnahmen für ihre CDs verstärken die „Stablemen“ bis auf die E-Gitarre kein Instrument. Auch der Gesang wird direkt von dem einzigen Raummikrophonaufgefangen. Aufnahmestu-dio: Svens riesiges Plattenzimmer. Selbstredend ist auch das Aufpolieren des Materials in Studios tabu. „Das ist billig und klingt geil“.

Vor allem die einfallsreiche Bass- und Gitarrenarbeit zeichnet die „Stablemen“ aus. „Die beiden sind im Gegensatz zu mir tolle Musiker. Aber sie können sich auch zurückhalten. Das ist keine Musik für Selbstdarsteller.“ Knackige Stücke vertragen nicht die Eitelkeiten minutenlanger Solo-Fideleien. Langweilig wird der Rockabilly aber trotz seiner einfachen Struktur nie, behauptet Sven. „Jede Musik klingt ähnlich, wenn man sich nicht damit auskennt. Erst mit der Zeit hört man die Feinheiten raus.“ Ein Trost für Ungeübte: Am Freitag gibt es noch andere Spielarten des 50er-Sounds zu hören als den authentischen und den Neo-Rockabilly.

„The Punxsutawney Pickers“ zum Beispiel schwören auf den traditionellen Bluegrass, der gegen Ende des 2. Weltkriegs in Kentucky aus Elementen des klassischen Hillybilly und schwarzer Gospel- und Bluesmusik entstand. Und der Roots-Rock der „Velvetones“ paßt in überhaupt keine Schublade aus jener Zeit. Dafür sucht das Quartett aber akribisch nach den alten Sounds: Man benutzt knarzige Röhrenverstärker und zerkratzte Gitarren, die zum Teil älter als ihre Besitzer sind.. Seit 1987 herrscht in Bremen tote Hose in Sachen Rockabilly. „Die meisten steigen nach zwei Jahren wieder aus“, bedauert Stablemen Sven. Man fährt zum Plattenkaufen nach Hambergen zum in ganz Norddeutschland bekannten Rockabilly-Plattenladen „Bear Family“, der auch als Plattenversand arbeitet – eine internationale Drehscheibe. Ansonsten aber hat Bremen selbst für Rockabillys wenig zu bieten. Außer dem Heartbreak-Hotel gibt es keinen Laden, in dem sich Bremens Rockabillys heimisch fühlen.

Deshalb freut sich Black Jet Gluschke tierisch, daß im Schlachthof das erste Treffen der verbliebenen Rockabilly-Fans seit 1987 stattfindet. Lars Reppesgaard

Wild Black Jets, Original Stablemen, Velvetones und Punxsutawney Pickers spielen am 22.1. um 20 Uhr im Schlachthof. /Kesselhalle

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