■ Filmstarts a la carte
: Unkonventionelle Künstler

Er war der gegen alle Konventionen rebellierende Dada-Max und einer der bedeutendsten Surrealisten: der Maler und Bildhauer Max Ernst, dem die Berliner Nationalgalerie im kommenden März eine Retrospektive widmen wird. Jetzt zeigt das Filmkunst 66 schon einmal Peter Schamonis 1991 entstandenes Porträt „Max Ernst – Mein Vagabundieren, meine Unruhe“, in dem der 1976 verstorbene Künstler dank zahlreicher Fernsehinterviews und ausführlicher Selbstzeugnisse noch einmal lebendig wird.

Von Dada in Köln, über die surrealistische Bewegung in Paris und seine Flucht vor den Nazis nach Amerika: Ernst erzählt aus seinem bewegten Leben, erklärt jedoch auch Techniken und verschiedene Schaffensphasen seiner Kunst und erläutert die Quellen seiner Inspiration.

Etwas fragwürdig erscheint jedoch Schamonis Umgang mit den Gemälden des Künstlers: Nur schlaglichtartig und fragmentiert erscheinen diese im Film, was den Zugang zu den befremdlichen, alptraumhaften Bildwelten Max Ernsts nicht eben erleichtert.

Max Ernst – Mein Vagabundieren, meine Unruhe, am 24.1 im Filmkunst 66

Wer sein Kino besonders ereignisarm mag, findet einen seiner Lieblingsregisseure in dem Franzosen Jean Eustache. Zumeist im Bett liegend diskutiert Jean-Pierre Leaud gemeinsam mit Bernadette Lafont in „La maman et la putain“ (1973) flotte dreieinhalb Stunden lang sein Sexualleben und das Scheitern seiner politischen Träume. Ein treffendes Porträt junger Leute in den frühen siebziger Jahren – manchmal sehr witzig, oft sehr nervig und in jedem Fall sehr eigenwillig. Ist dies das Ende der Nouvelle Vague wie wir sie kennen? Im Filmkunsthaus Babylon laufen die Filme des frühverstorbenen Regisseurs noch bis Ende Januar.

La maman et la putain – Die Mama und die Hure (Om engl.U) 24.1. im Arsenal; 26.1. im Filmkunsthaus Babylon

Die echte Nouvelle Vague präsentiert uns derweil das Checkpoint-Kino, wo in der kommenden Woche eine kleine Reihe mit Filmen von Francois Truffaut gespielt wird. Dessen zweiter Spielfilm „Schießen Sie auf den Pianisten“ (1960) erscheint auf den ersten Blick wie eine Hommage an den amerikanischen Film noir: Schwarzweiß-Fotografie, Low- key-Beleuchtung mit disparaten Lichtquellen und eine Romanvorlage von David Goodis lassen an einen düsteren Kriminalfilm denken. Doch schnell muß man erkennen, daß sich Truffaut nicht wirklich für Gangster mit Regenmänteln und Pistolen interessiert. Tatsächlich ist Schießen Sie auf den Pianisten vor allem eine Variation jenes zeitlosen Themas, das den Regisseur zeitlebens am meisten faszinierte: Einmal mehr geht es um das Verhältnis der Männer zu Frauen – wobei Truffauts Sympathien meist auf Seiten des weiblichen Geschlechts lagen. So auch im „Pianisten“: Die Frauen erscheinen warmherzig und aktiv, während der schüchterne Barpianist Charlie sein Gefühlsleben nicht mit seinen Handlungen in Einklang bringen kann und durch seine vermeintliche Gefühlskälte immer wieder tragische Ereignisse heraufbeschwört.

Schießen Sie auf den Pianisten 26.1.-27.1. im Checkpoint

Lars Penning