■ Normalzeit
: Verbrechen lohnt nicht!

Irgendwelche westdeutschen Zeitungen berichteten neulich, der Westberliner Kaufhauserpresser Dagobert, Arno Funke mit bürgerlichem Namen, sei Mitarbeiter bei Geo geworden. Wahr daran war, daß er für deren „Berlin-Special“ einen Bildauftrag hatte und deswegen — nachdem er im Knast Freigänger geworden war — regelmäßig mit seinem Fahrrad durch die Stadt streifte. Am Ende gab er acht Zeichnungen ab, von denen eine so gut wie angenommen wurde. Aber dann kam die erwähnte Falschmeldung — und es ging rund in der Hamburger Geo-Redaktion. Es riefen sogar einige erboste Leser dort an und beschwerten sich: Wie könnt ihr bloß so einen Verbrecher einstellen?!

Dieser, Arno Funke also, nahm den braven Bürgerterror jedoch wie gehabt — mit Humor: Selbst wenn sie meine Zeichnung nun nicht mehr nehmen, ich habe auch so von dem Geo-Auftrag profitiert. Es war ein „Anstoß“ für mich, wieder mit dem Fotografieren und Zeichnen anzufangen.

Regelmäßig veröffentlicht der freischaffende Künstler Arno Funke seitdem im Eulenspiegel. Das ostdeutsche Satiremagazin veranstaltet demnächst ein großes Humor-Hearing in der Kongreßhalle. Dort wird der witzigste und deswegen beliebteste Verbrecher der Nachkriegszeit ebenfalls anwesend sein. Und das muß er auch, weil er als Freigänger jetzt in einem anderen Knast untergebracht ist — und diese Anstalt von seinen Honoraren als freischaffender Künstler regelmäßig was abhaben will: Er muß sich dort an den Haftkosten beteiligen, wie es so schön heißt. Man muß sich das dort so ähnlich vorstellen wie ein Männerwohnheim, erklärte Funke dazu Außenstehenden — mit Pförtner und ohne Mauer drumherum. Deswegen wurde ihm dort auch gleich sein wertvolles Fahrrad geklaut: Eine Schande! Arno Funke erstattete sofort Anzeige gegen den unbekannten Verbrecher. Der Polizist meinte, er kenne ihn, hätte jedoch nichts gegen ihn in der Hand.

Auch einige andere aufmerksame Bürger sind dem Bestohlenen durchaus gewogen: So brachte ihm z.B. eine nordrheinische Germanistin von der südkoreanischen Taucherinneninsel Cheju, wo Arno Funke einmal auf KaDeWe- Kosten Urlaub machte, eine Flasche Soju (Reisschnaps) mit. Diese Flasche wartet nun bei ihr zu Hause in Kreuzberg auf ihn. Er muß dafür extra einen Soju-Urlaub nehmen, denn er darf nicht dicht — also volltrunken — in sein Männerwohnheim kommen, muß aber andererseits abends immer wieder nüchtern dorthin zurückkehren: in den sogenannten offenen Strafvollzug. Eine andere Kreuzbergerin — aus der koreanischen Frauengruppe Westberlins und gebürtige Chejuerin — hat darüber hinaus versprochen, ihm bei Gelegenheit seines SO-36-Soju-Urlaubs auch gleich noch ein Glas selbstgemachtes Kimchi zu schenken. In seinem Buch schrieb Funke, daß er dieses koreanische Nationalgericht — sehr scharfes Sauerkraut — überaus schätzt, und daß er sich sogar sein Kimchi früher gelegentlich selber ansetzte.

Im Knast bzw. jetzt im Freigängerwohnheim ist er bisher noch nicht dazu gekommen. Immerhin hat er sich schon mal vorgenommen, seine Küche dort dergestalt anzuasiatisieren, daß er sich in Bälde einige Gewürze sowie 25 Kilo Reis vom vietnamesischen Großmarkt in der Rhinstraße 100 besorgt. Wenn also demnächst im Haus 4 der JVA Plötzensee plötzlich ein Sack Reis umfällt oder auch geklaut wird und die taz sofort und ausführlichst darüber in gewohnt aufklärerischer Weise Bericht erstattet, und zwar in dieser Kolumne, dann darf sich niemand darüber wundern. Mehr wollte ich hiermit eigentlich nicht sagen — für diesmal. Helmut Höge