Regierungskrise in Italien unvermeidbar

Ex-Staatspräsident Cossiga haut wieder alles kurz und klein. Er will in Vorbereitung auf die Europawahlen seine Minister aus der Linksregierung zurückziehen und hofft auf Wiedererweckung der Christdemokraten  ■ Aus Rom Werner Raith

Für Italiens Regierung brechen schwere Zeiten an. Die „Demokratische Union“ (UDR) des früheren Staatspräsidenten Francesco Cossiga, die vor einem Vierteljahr die Bildung eines neuen Kabinetts unter dem Chef der Linksdemokraten Massimo D'Alema ermöglicht hatte, hat ihre drei Minister zum Rücktritt aus dem Kabinett aufgefordert. Stein des Anstoßes ist die Strategie für die Europawahlen. Das bei den Parlamentswahlen von 1996 siegreiche „Olivenbaum“-Bündnis hatte am Dienstag beschlossen, daß die sechs im Pakt vereinten Gruppierungen zwar getrennte Listen aufstellen, jedoch alle das gleiche Programm präsentieren und darin überdies Bezug auf den „Olivenbaum“ des früheren Ministerpräsidenten Romano Prodi nehmen sollen.

Die Demokratische Union sieht das als Affront gegen ihre Politik an, die gerade auf die Zerschlagung des Olivenbaum-Konglomerates zielt. Denn die UDR möchte irgendwann die aufgelöste Christdemokratische Partei wiedererstehen lassen, von der die wichtigsten Komponenten bisher treu zum „Ulivo“ stehen.

Doch auch innerhalb des Olivenbaum-Bündnisses herrscht Streit. Zum einen hat sich inzwischen die voriges Jahr neugegründete Bewegung „Italia dei valori“ (Italien der Werte) des ehemaligen Chefermittlers in Sachen Korruption, Antonio di Pietro, dem Pakt angeschlossen und ist damit eine enge Symbiose mit den Getreuen des nominell parteilosen früheren Regierungschefs Romano Prodi eingegangen — was die Volkspartei ziemlich verdrießt, sah sie doch lange in Prodi selbst ihren Hoffnungsträger. Zum anderen hat der Verfassungsgerichtshof soeben ein von Di Pietro gesponsertes Volksbegehren des nicht im Bündnis mitwirkenden „Paktes für Italien“ zugelassen, das ein reines Mehrheitswahlrecht nach britischem Muster einführen soll.

Dagegen läuft nicht nur die Volkspartei Sturm, sondern auch der Großteil der Grünen, der Sozialisten und der anderen kleineren Gruppen des Ulivo. Kommt das reine Mehrheitswahlrecht, werden sie ihre eigene Identität kaum mehr aufrechterhalten können. Die übermächtigen Linksdemokraten trauen sich daher auch nicht so recht, die Initiative, über die im April oder Mai abgestimmt werden soll, zu begrüßen, obwohl sie davon nur profitieren könnten.

Die Zeichen stehen also auf Sturm, obwohl sich Regierunfschef D'Alema noch immer auf ein „No comment“ zurückzieht. So richtig gestürzt werden kann er aber noch nicht. Bis zur Neuwahl des Staatspräsidenten im Juni herrscht noch das „weiße Semester“, das die Ausschreibung von Neuwahlen in dieser Zeit verbietet. Da eine alternative Koalition derzeit nicht denkbar ist, kann D'Alema sicher sein, daß er die Geschäfte bis dahin fortführen kann.

Gemeldet hat sich inzwischen überdies ein alter Kumpan: Fausto Bertinotti, Chef der Neokommunisten. Der hatte im Herbst 1998 mit seinem Rückzug aus der Linkskoalition für den Sturz Romano Prodis gesorgt, konnte aber nach einer Spaltung seiner Partei mit einer Handvoll Abgeordneter nur noch knapp den Fraktionsstatus halten. Er würde gerne ins Bündnis zurückkehren, sofern der im Grunde konservative Cossiga seine Minister wirklich aus dem Kabinett herauslöst.