Nato sucht Konsens zum Kosovo

■ Nach den erfolglosen Gesprächen zweier Nato-Generäle in Belgrad einigte sich das Militärbündnis gestern bei Beratungen in Brüssel nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner

Priština/Belgrad/Brüssel (dpa/AFP/taz) – Mangelnde Flexibilität war einer der harmloseren Ausdrücke, mit denen die beiden Nato-Generäle Wesley Clark und Klaus Naumann gestern in Brüssel ihr Belgrader Gesprächsmarathon mit Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević in Belgrad am Dienstag beschrieben. Clark wurde dann deutlicher: „Das Treffen war brutal, direkt und aggressiv. Niemand von uns war überrascht, sondern vielmehr enttäuscht von der harten Position, die wir vorgefunden haben.“

Überraschend war dann auch kaum, daß sogenannte vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen wie die Verlegung von Marineverbänden ins Mittelmeer, vorerst der kleinste gemeinsame Nenner sind, auf den sich die Nato-Mitgliedstaaten gestern in Brüssel verständigten. Gleichzeitig betonte die Nato, weiter nach einer politischen Lösung suchen zu wollen, und erteilte Alleingängen, die nicht von einem Großteil der internationalen Gemeinschaft mitgetragen würden, eine Absage.

Ob das einen durchgängigen Konsens wiederspiegelt, ist fraglich. Laut BBC-Berichten wachsen in der Nato die Meinungsverschiedenheiten über einen Militäreinsatz. Besonders die kleineren Länder seien unentschlossen. Auch Frankreichs und Deutschlands Unterstützung scheint unsicher – wohl auch wegen weitergehender Pläne Großbritanniens und der USA, über die gestern die britische Times berichtete. Demnach will Großbritannien seine Eliteeinheit SAS nach Makedonien verlegen, um im Ernstfall die OSZE-Beobachter aus dem Kosovo zu evakuieren. Zum gleichen Zweck werde auch die Verlegung von 8.000 bis 10.000 Soldaten nach Makedonien erwogen.

Unterdessen scheint die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Falle der Ausweisung ihres Leiters der Mission im Kosovo, William Walker, hart zu bleiben. Gestern forderte die Organisation Milošević auf, die „inakzeptable“ Ausweisung Walkers zurückzunehmen. Er soll das Land bis heute verlassen. Der norwegische Außenminister und OSZE-Vorsitzende Kurt Vollebaek dazu: „William Walker reist nicht ab.“

Die Untergrundarmee der Kosovo-Albaner UCK forderte gestern die Nato eindringlich auf, in den nächsten Tagen Ziele in Serbien anzugreifen. Der Auslandsvertreter der UCK, Sabri Kicmari, sagte gestern in Bonn, seine Organisation werde den Kampf wiederaufnehmen, sollte die Nato die serbischen Polizisten und jugoslawischen Soldaten im Kosovo gewähren lassen. Bislang habe man sich bislang an die Waffenruhe vom Oktober gehalten, jedoch auf serbische Angriffe reagiert. Das Massaker an 45 Albanern in Racak bestärke die UCK in ihrer Überzeugung, daß sie das Volk vor Übergriffen der Serben schützen müsse.

Serben untersuchen sich jetzt selber

Priština (taz) – Serbische Gutachter haben begonnen, die Leichen der am Freitag in Racak getöteten Albaner, die beschlagnahmt und nach Priština gebracht worden waren, zu untersuchen. Eine unabhängige internationale Untersuchung hat Belgrad abgelehnt. Louise Arbour, Chefanklägerin des Tribunals für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien, wurde die Einreise in den Kosovo verweigert. Ein nationales Expertenteam untersuche die Leichen, gab die Oberste Staatsanwältin des Kosovo bekannt. Es werde von einem weißrussischen Pathologen unterstützt. Erste Untersuchungen hätten bestätigt, daß die Wunden und die unversehrte Bekleidung der Toten darauf schließen ließen, daß diese nach ihrem Tod umgekleidet wurden.

Schon am Sonntag hatte das serbische Informationsministerium behauptet, die UCK habe ihren Gefallenen die Uniform ausgezogen und sie zivil gekleidet. Sasa Dobricanin, Leiter des Gutachterteams, sagte, die Untersuchung werde drei bis vier Tage dauern, fest stehe aber jetzt schon, daß keines der Opfer hingerichtet worden sei. Finnische Experten würden hinzugezogen, doch habe man mit der Untersuchung gewartet, weil die Verwesung zu schnell fortschreite.

Man wird jetzt diskutieren, wie viele Leute wie lange brauchen, um nachts 40 Leichen zu finden, Kleider zu besorgen und sie umzukleiden. Man wird auch darüber streiten, ob William Walker, Chef der OSZE-Mission, der von Hinrichtungen sprach, falsch geguckt hat. Man wird mutmaßen, daß die Serben unter Ausschluß der Öffentlichkeit an den Leichen oder deren Kleidungen Manipulationen vorgenommen haben. thos