■ Bundespräsident: Union sucht quotierten Gegenkandidaten zu Rau
: Spalten statt versöhnen

CDU und CSU wollen ihren Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nach Maßgabe zweier Kriterien benennen: Eine Frau aus dem Osten soll es sein. Das engt die Auswahl ein und setzt Spekulationen frei. Namen werden genannt, etwa der von Bärbel Bohley. Bohley ist eine respektable Frau, die über die Jahre ihren Grundsätzen treu geblieben ist und sich seit längerem in der Bürgerkriegsregion des Balkan humanitär engagiert. Das ist zu würdigen, doch qualifiziert sie das für das Amt des Bundespräsidenten? Nein. Denn um Bundespräsident zu werden, muß man noch ganz anderen Anforderungen genügen. Anforderungen, denen auch die übrigen, über die derzeit spekuliert wird, nicht gewachsen sein dürften.

Weshalb also diese doppelte Quote ausgerechnet von der Partei, die sich bei der Besetzung ihrer Gremien und Fraktionen bereits mit dem Drittel, das den Frauen zugesprochen wurde, schwertut? Es ist kaum zu glauben, daß CDU und CSU an emanzipatorischer Konsequenz mit den Grünen gleichziehen wollen. Es ist eher zu vermuten, daß sich mit dem Vorschlag ein simples politisches Kalkül verbindet. Der Finger soll auf die Wunde gelegt werden, die die SPD-Spitze mit der Nominierung ihres Kandidaten Johannes Rau in den eigenen Reihen, vor allem bei den rot-grünen Frauen, gerissen hat. Deren Wunsch nach einer Frau an der Spitze des Staates wurde vernachlässigt zugunsten einer zweiten politischen Karriere des Parteipatriarchen. Das hat seinerzeit für böses Blut gesorgt, aber auch einen Mangel an strategischem Geschick der Frauen offenbart. Denn diese haderten zwar mit ihrer vermeintlichen Benachteiligung, konnten sich aber nicht auf eine Kandidatin verständigen.

Nun ist aber das Amt des Bundespräsidenten zu bedeutsam, um unter dem Gesichtspunkt einer Quote besetzt zu werden. Diese Erkenntnis haben die Frauen seinerzeit vernachlässigt, nun tut es ihr die Union gleich. Sie verbindet damit die Erwartung, daß es Johannes Rau im Mai genug Stimmen kosten möge, um bereits in den ersten beiden Wahlgängen gewählt zu werden. Denn einen solchen Erfolg mag sie ihm, mag sie der regierenden Koalition doch nicht gönnen. Deshalb sind CDU und CSU gewillt, eine Kandidatin ins Feld zu schicken, die womöglich weniger zu ihr paßt als Johannes Rau, der mit dem versöhnenden Gestus seiner ausgebreiteten Arme auch die Unionschristen zu umfangen vermag. So viel Taktik hat das Amt nicht verdient. Dieter Rulff