Grüne Woche als „Potemkinsches Dorf“

Biobauern kritisieren die weltweit größte Agroschau wegen „systematischer Irreführung“ der Verbraucher. Deutsche Ökobranche unter Druck. Vorbild Österreich erreicht 10 Prozent Marktanteil für Ökoprodukte  ■ Von Manfred Kriener

Als ein einziges großes Potemkinsches Dorf hat das „Agrarbündnis“ von Ökobauern, Naturschützern und kritischen Verbrauchern gestern in Berlin die Grüne Woche kritisiert, die heute ihre Tore öffnet. Die größte Agrarschau der Welt wurde von Hubert Weiger, dem agrarpolitischen Sprecher des Umweltverbandes BUND, als ein Ort systematischer Irreführung bezeichnet. Das Bild der Landwirtschaft, das den Besuchern vorgegaukelt werde, habe nichts mit den Realitäten zu tun. Noch immer würden Tiere ausgestellt, die sich alle im Stroh kuscheln. Weiger warf dem Bauernverband und den Vermarktungsgesellschaften vor, mit „grüner Schminke“ die Ideale der ökologischen Landwirtschaft bewußt zu mißbrauchen, während die Exzesse der Massentierhaltung weitergingen.

Bei der Vorstellung des neuen „Kritischen Agrarberichts“, der dieses Jahr zum siebten Mal erscheint, rügte Weiger die Vermarktungstricks der Agroindustrie. Der ökologische Landbau habe sich in der Bundesrepublik auch deshalb nicht stärker durchgesetzt, weil herkömmlich erzeugte Ware häufig unter dubiosen Bezeichnungen vermarktet werde und die realen Zustände verdecke. Selbstkritisch sagte Weiger, die Ökoverbände müßten sich endlich auf ein einheitliches Label einigen. Zudem solle man noch stärker aus der Askese-Ecke herauskommen und den Genußfaktor von Ökoprodukten besser herausstellen. Weiger: „Das ist Genuß ohne Reue.“ Die Bundesrepublik sei in Sachen Ökolandwirtschaft in der EU auf Platz sieben zurückgefallen. Österreich habe dagegen schon einen Anteil von 10 Prozent und strebe einen 30-Prozent-Anteil an.

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf sieht dennoch gute Zukunftschancen für deutsche Ökobauern. Der grüne Europaabgeordnete hat beobachtet, daß die Supermarktketten zusehends Angst bekämen, den Biozug zu verpassen. „Das kann bald explodieren“, hofft Baringdorf auf einen Durchbruch für die Biobranche.

Entscheidend für die Zukunft sei dabei die Agenda 2000 der EU und die Umleitung der bisher für Marktinterventionen verbratenen Gelder in ein geplantes Strukturprogramm für den ländlichen Raum. Mit den freiwerdenden Mitteln Haushaltslöcher zu stopfen, wie dies Bonn erwäge, sei der falsche Weg.

Der kritische Agrarbericht, Standardwerk der agrarpolitischen Diskussion, widmet sich auch dieses Jahr allen Aspekten der Landwirtschaft von der Einführung der Melkroboter bis zum biointernen Streit um den Einsatz neuer Düngemittel. Daß die Biobranche keine grüne Insel ist, zeigt das Kapitel Marktanalyse. Durch den Preisverfall herkömmlich erzeugter Produkte gerieten Ökobetriebe immer mehr unter Druck. Bestes Beispiel ist derzeit der freie Fall des Erzeugerpreises für Schweinefleisch, der mit 1,50 Mark je Kilo den niedrigsten Stand seit 50 Jahren erreichte. Das historische Tief hat, wie Ulrike Ottenottebrok- Völker erklärte, zu erheblichen Ertragseinbußen der Biobetriebe geführt. Wenn der Preisabstand zwischen „Bio“ und „Quäl“ zu groß werde, seien Markteinbußen unvermeidbar.

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