Mehr Free als Jazz

■ Das italienische Jazz-Septett Arigret enttäuschte im KITO alle Erwartungen

Als der ziemlich zugewachsene Massimo Rossi seine haarigen Wangen aufplusterte, um seinem Altsaxophon ein vielversprechendes quietschiges Solo zu entlocken, knabberte Gitarrist Antonio Fontana an seinen Nägeln. Trompeter Ramon Muro bewunderte die Decke des KITO, während die Sängerin Rossella Cangini in einer Tüte kramte, um Arigret-CDs am Bühnenrand auszulegen. Rossis Solo endete, ohne das anfängliche Versprechen eingelöst zu haben, woraufhin der eine oder andere aus dem Septett seine Aufmerksamkeit wieder dem Instrument zuwandte. Freilich ohne viel Aufhebens darum zu machen, welche musikalische Idee die KollegInnen eigentlich bewegte. Der eine blies, der andere zupfte, und Dario Bruna hämmerte einen Rhythmus aufs Drumset, der so klang, als gehörte er in ein ganz anderes Stück.

Ja, wird der erfahrene Jazzexperte jetzt einwerfen, das klingt doch gewaltig nach Freejazz. Und da die TurinerInnen im Programm als „grandioses avantgardistisches Freejazz-Theater“ angekündigt waren, könnte man dem Irrtum verfallen, die Ankündigung sei eingelöst worden. Doch grandios war es schon deshalb nicht, weil Carlo Actis Dato, der beste Instrumentalist der Band, nicht im KITO, sondern kurzfristig auf einem Festival in Mainz ins Baritonsaxophon blies. Avantgardistisches Theater war ebenfalls nicht zu entdecken. Es sei denn, man wollte bereits das unmotivierte Umstoßen von Notenständern und das Bewerfen von Schlagzeugern mit Papiertaschentüchern – wären sie benutzt gewesen, wäre zumindest das Bedürfnis nach Avantgardismus befriedigt worden – als theatrales Element begreifen. Und da schließlich die Anzahl der (kurzen) Passagen, in denen Freejazz geboten wurde, in etwa der BesucherInnenzahl entsprach – muß man angesichts des bisher Gesagten betonen, daß nicht einmal zwanzig Leute anwesend waren? – war eigentlich nichts so, wie man sich zu Beginn des Konzerts erhoffen konnte.

Dabei war zuweilen durchaus zu erkennen, daß die sieben MusikerInnen mehr können, als der Welt gelangweilt ein uninspiriertes 90minütiges Konzert zu schenken. Rossella Cangini etwa verstrickte von der Posaune (Andrea Scavin) bis zum Bass (Federico Marchesano) jedes Instrument in nette Duelle, die die virtuose Sängerin mit ihrer zwischen Türscharnierquietschen und Louis-Armstrong-Imitation changierenden Stimme locker für sich entschied. Auch der Trompeter Muro und der Drummer Bruna fanden sich zu kurzen, durchaus hörenswerten Duetten. Doch dann fiel entweder Canginis Mikrophon minutenlang aus oder die Band fand zu jenem ärgerlichen musikalischen Gestammel mit sechs Instrumenten zurück, das weite Teile des Auftritts bestimmte. Kurzum: Es war nicht gerade ein atemberaubendes Konzert. Aber wahrlich auch nicht so schlecht, daß es so wenig BesucherInnen verdient hatte. Oder doch: Genau so schlecht war es. zott