Der lange Abschied von Günter Niederbremer will bleiben

■ Der geschaßte Staatsrat Niederbremer sitzt noch immer für Bremen in Brüssel. EU-Parlamentarier verärgert.

Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) gilt als Mann der Tat. Als sein Staatsrat für Europaangelegenheiten, Günter Niederbremer, im Oktober des vergangenen Jahres bundesweit in die Schlagzeilen geriet, weil zwei polnische Schwarzarbeiter die Fassade seines Hauses saniert hatten, schickte Hattig den Spitzenbeamten kurzerhand in den Ruhestand. Um so erstaunter war man im Europäischen Parlament, als der frühere Vertreter Hattigs jetzt wieder in Brüssel auftauchte. Am Donnerstag leitete Niederbremer die Geschäftsordnungskommission des Ausschusses der Regionen. Der Ausschuß soll die Interessen von rund 200 EU-Regionen über die Grenzen hinweg vertreten. Dabei hat Hattig Niederbremer die Vollmacht für den Ausschuß entzogen. Das heißt, er hat keine Stimme im Plenum mehr und kann nicht entscheiden, wenn es um bremische Belange geht.

Doch Niederbremer ist Vorsitzender der Kommission, die eine Geschäftsordnung für den Ausschuß erarbeitet. Und dieses Amt hat er „ad personam“, also als Person. Daß Niederbremer nicht mehr Staatsrat ist, spielt also keine Rolle – eigentlich. Hinter vorgehaltener Hand aber, nimmt man im Ausschuß kein Blatt vor den Mund. „Es gibt hier so etwas wie ein Gentlemen-Agreement“, sagt ein Abgeordneter. „Wer kein politisches Mandat hat, legt sein Amt nieder. Das war immer so. Die Deutschen geben jetzt ein schlechtes Vorbild ab. Ein zurückgetretener Staatsrat macht hier keine gute Figur.“ Das Büro des Ausschusses übt sich dagegen in vornehme Zurückhaltung: „Uns ist noch kein Nachfolger gemeldet worden“, heißt es knapp.

Dabei steht der Nachfolger Niederbremers schon lange fest. Einstimmig wählte die Bürgerschaft im November Bremens ehemaligen Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD), der Vorsitzender des Ausschusses für Europaangelegenheiten ist. Der Senatsbeschluß folgte im Dezember.

Doch Niederbremer, der gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen war, geht nicht. Im Ausschuß spekuliert man derzeit über seine Motive. Geld kann es nicht sein. Rund 400 Mark Tagegeld plus Reisekosten bekommt Niederbremer pro Sitzung aus der Kasse des Ausschusses. Außerdem bezieht er ein Ruhegeld von 10.000 Mark im Monat. In CDU-Kreisen vermutet man daher, daß Niederbremer verzweifelt versuche, seinen angeschlagenen Ruf wieder herzustellen. „Der Mann ist politisch ins Bodenlose gefallen und hält sich jetzt an einem Strohhalm fest“, sagt ein CDU-Bürgerschaftsabgeordneter. Wie berichtet, scheiterte Niederbremer, als er sich nach seinem Rücktritt für die CDU-Bürgerschaftsfraktion aufstellen lassen wollte.

Nur im Internet ist Niederbremer noch in Amt und Würden. „Derzeit sind im Verbindungsbüro drei Mitarbeiter unter Führung von Europastaatsrat Günter Niederbremer tätig“, heißt es über das Bremer Verbindungsbüro in Brüssel (www.europa-bremen.de/europa). Neben dem Text lächeln Niederbremer und seine Mitarbeiter fürs Foto – darunter steht die alte Adresse des Büros. Und auch unter der Rubrik „Bremens Mitwirkung in der EU“ wird „Staatsrat Günter Niederbremer“ noch als Vertreter Hattigs geführt.

Die Wirklichkeit wird bald anders aussehen: Die Vermutung, die CDU weigere sich, dem Sozialdemokraten Wedemeier den Platz zu räumen, weist Hattigs Sprecher, Jan Rinnert, entschieden zurück. „Das Haus tut alles, um die Umbesetzung zu gewährleisten. Das Verfahren ist eingeleitet“, sagt er. In CDU-Kreisen wird man deutlicher: „Hattig hat ein Machtwort gesprochen.“ Kerstin Schneider