Stimmen aus der Vergangenheit

■ Das Hackesche Hoftheater bringt ein Stück von Walter Jens auf die Bühne: „Ein Jud aus Hechingen“ als allseits voll kompatibler Denkmalsdebattenbeitrag

So viele Bezüge. Vor achtzig Jahren wurde Rosa Luxemburg ermordet. Die PDS will ihr ein Denkmal setzen, hat aber schon eins vor der Haustür stehen. Das bot genügend Gesprächsstoff auf der Premierenfeier mit Rotkäppchensekt. „Ein Jud aus Hechingen“ von Walter Jens wurde im Hackeschen Hoftheater als Berliner Erstaufführung auf die Bühne gebracht. Im Premierenpublikum der Autor selbst, allerhand PDS- Prominenz, und Stefan Heym war auch da.

Jens zeichnet in Form eines Kammerspiels die letzten Stunden des Paul Levi nach. Wir schreiben den 10. Februar 1930. Levi arbeitet, schwer krank, von Fieberträumen geplagt, nachts an dem Plädoyer, das im Revisionsprozeß gegen die Mörder von Luxemburg und Liebknecht die wirklich Schuldigen entlarven soll. Gegen Morgen springt Levi aus dem Fenster. Zuvor wird dank vieler Zwiegespräche ein Schnellkurs in Sachen Geschichte geboten. Da ist zunächst Mathilde Jacob (Bettina Schubert), die früher in Diensten der Rosa L. stand, jetzt aber Levi (Peter Hladik) umsorgt. Sie mahnt zur Schonung, aber ach, das Fieber. Aus Mathilde wird plötzlich Rosa. Ein kurzer Augenaufschlag, eine plötzlich veränderte Körperhaltung, und schon ist die Verwandlung perfekt. Gleiches, wenn aus Mathilde/Rosa plötzlich Käthe Kollwitz wird. So fiebert sich Levi ehemalige Weggefährten und Widersacher (Radek, Einstein) herbei.

Walter Jens zeichnet das vielfältige Bild eines Mannes, der zuerst Sozialdemokrat, dann Kommunist, auch Geliebter der L. war, schließlich für die SPD im Reichstag saß. Die zentrale Frage aber ist die nach den Gründen für die Straffreiheit der Luxemburg-Mörder in der Weimarer Republik. Ein höchst interessanter, sprachlich brillanter Text, von Burkhart Seidemann in Szene gesetzt. Die Bühne schwarz, karg ausgestattet, zwei stilisierte Türen. Der kranke Levi sitzt meist im Sessel, Mathilde/Rosa/Käthe wandert hin und her. Es wird viel und gekonnt mit Licht gearbeitet.

Auch der Ton spielt eine Hauptrolle. Denn das Stück ist Schau- und Hörspiel zugleich. Da sind die beiden leibhaftigen Schauspieler. Und da sind die Stimmen aus der Vergangenheit, die vom Band kommen. Mal lauter und leiser, mal hallend. Das ist einerseits interessant, aber manchmal auch mehr als störend, weil schwer verständlich, gerade dann, wenn sich Original- und Tonbandstimme mitten im Satz mehrmals hintereinander abwechseln oder deplaziert Kinderstimmen erklingen. So verliert die durchaus eindrucksvolle Ton-/Klanggestaltung leicht an Wirkung. Das tut dem positiven Gesamteindruck keinen Abbruch. Wie sagte doch Burkhart Seidemann: „Es gibt ja ständig irgendwelche Denkmalsdebatten in Berlin, unsere Inszenierung soll ein lebendiger Beitrag sein.“ Andreas Hergeth

Wieder am 9./16.2., 21 Uhr, Hackesches Hoftheater, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte