Wojtyla, Kommerz und nichtreproduktive Genitalität

■ Der Papst auf seinem vierten Mexikobesuch: Erwartungen von Politik, Wirtschaft und Kirche

Mexiko-Stadt (taz) – Der Chips- Fabrikant „Sabritas“ ist nur eine von 25 Privatfirmen, die den vierten Besuch des Papstes in Mexiko sponsern. Gestern abend sollte Karol Wojtyla in Mexiko-Stadt ankommen – und wegen seiner angeschlagenen Gesundheit wird er da auch bleiben. Ebenfalls beim Sponsoring dabei sind Pepsi-Cola, General Motors, Mercedes-Benz und Hewlett Packard sowie mexikanische Handy-Konzerne und Kabelfernsehen, Großbanken und Fluggesellschaften.

„Gänzlich uneigennützig“, versichern Firmensprecher, werden die Fetische des Papstkultes unter die Leute gebracht: Tassen und T-Shirts, Münzen, Mützen und eigens eingerichtete Telefondienste, bei denen man dem Papa im Minutentakt persönliche Nachrichten hinterbringen kann.

Angesichts der verbreiteten Kritik an der unheiligen Allianz aus Kirche und Kommerz gibt sich der Klerus ungewohnt modern. Das mediale Marketing sei sicher ein „Risiko“, so Kardinal Norberto Rivera Carrera, der auch in einem Sabritas-Spot auftritt, „aber notwendig, damit Christus in den Medien präsent ist“. Und schließlich, so Rivera freimütig, habe die katholische Kirche „Werbung und Propaganda ja wohl als erste erfunden“. Und selber bezahlen könne man das Happening, dessen Kosten auf etwa zwei Millionen Dollar geschätzt werden, nun mal nicht.

Ins Geld geht vor allem die aufwendige Infrastruktur für den gebrechlichen Gast: So wurde in der Basilica de Gaudalupe, dem Allerheiligsten aller katholischen MexikanerInnen, extra ein Fahrstuhl eingebaut, um den alten Mann die fünf Meter hoch zur Virgen der Guadalupe zu hieven, der Nationalheiligen und Schutzpatronin des Landes.

Politisch weckt El Papa hohe Erwartungen – und zwar quer zu allen Lagern. So verspricht sich vor allem die sex- und frauenfeindliche Rechte im Lande moralische Schützenhilfe von dem Polen, der ja bekanntlich bekennender Gegner zweckfreier Wollust und selbstbestimmter Verhütung ist. Dem Oberhirten der mexikanischen Lebensschützer-Filiale „ProVida“ dürfte der Besucher bei seiner Kampagne gegen die drohende „Kondomisierung“ der mexikanischen Gesellschaft gerade recht kommen. Denn diese sieht er durch die zaghaften Modernisierungsversuche der staatlichen Sexualaufklärung „von der Wurzel her bedroht“. Allerlei Fürchterlichkeiten wie „nichtreproduktive Genitalität“, Homosexualität, Abtreibung, Masturbation und anderes Teufelswerk würden dieserart gefördert.

Aber auch sozialkritische Theologen und sogar ganz und gar atheistische Oppositionelle erhoffen sich vom Heiligen Vater deutliche Worte zu den Problemzonen der Republik. „Hoffentlich spricht er, wie bei früheren Besuchen, auch vom Neoliberalismus“, so der linke Oppositionsführer Andrés Manuel Lopez Obrador. Das ist nicht allzu unwahrscheinlich: Genutzt werden soll der Mexikobesuch von Wojtyla auch zur Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung der amerikanischen Bischofskonferenzen. Die Synode war 1997 zum ersten Mal in Rom zusammengekommen und hatte seinerzeit den wildgewordenen Kapitalismus, aber auch ethnische Diskriminierung sowie die „unmoralische und ungerechte“ Last der Auslandsschulden scharf kritisiert. Anne Huffschmid