„Der grüne Pfeil ist nicht wirklich gefährlich“

■ Ein bayerischer Experte erklärt, warum 70 Prozent der Westdeutschen ein Verkehrszeichen aus der DDR nicht verstehen. Und warum „der Blechpfeil“ trotzdem aufgestellt wird – sogar in Regensburg

Eine Studie der Uni Regensburg behauptet, 70 Prozent der westdeutschen Autofahrer hätten den „grünen Pfeil“ nicht verstanden. Vom bayerischen Umgang mit dem DDR-Verkehrszeichen berichtet Alfred Santfort (47), Leiter des Amtes für Öffentliche Ordnung und Straßenverkehr der Stadt Regensburg.

taz: Wie viele grüne Pfeile gibt es in Regensburg?

Alfred Samtfort: Wir haben sieben Kreuzungen mit insgesamt zwölf Pfeilen bestückt. Zum Vergleich: Insgesamt setzen wir ungefähr 16.000 Verkehrszeichen ein.

Haben Sie Ihre zwölf Pfeile seit der Wiedervereinigung?

Nein, erst seit dem letzten Herbst. Wir dachten, wir müßten nicht unbedingt die ersten sein mit diesem Gerät, das bei uns in Bayern doch relativ unbekannt ist.

Die Straßenverkehrsordnung ist doch bundeseinheitlich gleich.

Schon, aber die Ausführungsbestimmungen schwanken von Land zu Land.

Welche Erfahrungen haben Ihnen die Westpioniere des grünen Pfeils berichtet?

In München wurden alle grünen Pfeile wieder abgeschraubt. In anderen Städten sind die Erfahrungen wohl nicht so schlecht.

Und in Regensburg?

Bisher sind unsere Erfahrungen gut. Das liegt vielleicht auch daran, daß wir die Kreuzungen sehr sorgfältig ausgewählt haben. Die Einsatzmöglichkeiten waren schon dadurch eingeschränkt, daß wir mit moderner Verkehrstechnik nie gegeizt haben. Wo man bei uns in einer Phase eines Lichtsignalanlagen-Umlaufs problemlos rechts abbiegen kann, steht heute schon ein Rechtsabbieger-Hilfssignal mit zwei Feldern, gelb und rot, die neben dem Hauptsignal hängen. Wo etwas so Modernes installiert ist, geht natürlich nicht noch der Blechpfeil!

Klar.

Die DDR hat den Blechpfeil ja einmal aus der Not heraus erfunden, weil dort die moderne Verkehrstechnik nicht in diesem Umfang verfügbar war. Dieses Instrument ist aber nicht frei von Risiken. Ein Rechtsabbieger muß nicht nur den Verkehr der freigegebenen Richtung, sondern auch die parallel fahrenden Radfahrer und die Fußgänger auf der Straße beachten, die zeitgleich ja grünes Licht von der Ampel bekommen.

Warum haben Sie überhaupt grüne Pfeile aufgestellt?

Der Pfeil war der Renner bei der Bevölkerung in den neuen Bundesländern. Die Politik sah sich wohl gezwungen, dieses Instrument in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen.

Hat man Regensburg also zum grünen Pfeil gezwungen?

Nein, wir sind Wünschen aus der Bevölkerung nachgekommen.

Auch Wessis wollten ihn?

Ja, wir bekamen Briefe: „Ich möchte nicht immer wie ein Trottel an der roten Ampel stehen.“ Nach der Einführung haben wir dann versucht, die Verhaltensregeln, die mit dem grünen Pfeil verbunden sind, in die Köpfe der Autofahrer reinzukriegen.

Wie lauten die Verhaltensregeln?

Sei extrem vorsichtig. Halte an der Haltelinie, sonst begehst du einen Rotlichtverstoß. Fahre vorsichtig bis zur Sichtkante. Halte dort abermals, wenn es sein muß. Wenn du dir sicher bist, daß du keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdest, dann biege ab.

Verstehen die Leute das?

Das können Sie ja der Studie entnehmen.

Vielleicht ignorieren Wessis diese DDR-Regel bewußt.

Nein, das ist keine böse Absicht. Das kennen wir hier nun einmal nicht. Wer weiß, ob die Bürger in den neuen Bundesländern, die den grünen Pfeil schon lange kennen, überhaupt immer alles richtig machen.

Gab es denn schon Unfälle wegen des Pfeils?

Nein, nicht in Regensburg. Nach unseren Erfahrungen ist der grüne Pfeil nicht wirklich gefährlich.

Die Wiedervereinigung ist bald zehn Jahre her. Wie lange, glauben Sie, werden die Westdeutschen denn brauchen, um sich an den Pfeil zu gewöhnen. Noch zehn Jahre?

Wenn wir Glück haben. Interview: Robin Alexander