Die Kampagne der Union ist ein „Spiel mit dem Feuer“

■ Den meisten türkischen Migranten in Deutschland ist klar: Mit ihrer Unterschriftenaktion will die Union nicht etwa die Integration fördern, sondern das „Fremde“ ausgrenzen

Intuitiv hat die Mehrheit der türkischen Migranten in Deutschland erkannt, daß die Unterschriftenkampagne der CDU/CSU nicht etwa von dem Gedanken geleitet wird, ihre Integration zu fördern, sondern daß es darum geht, das „Fremde“ auszugrenzen. Das assimilierte Türkenkind, das weder mit der Herkunftskultur in Verbindung steht noch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, stellt da keine Bedrohung dar. Wohl aber die Mehrheit der türkischen Migranten, von denen man weiß, daß sie aus einfachen Gründen – wie etwa einer Eigentumswohnung in Istanbul – nicht Deutsche werden wollen, wenn sie dafür die türkische Staatsangehörigkeit abgeben müssen. Die Kampagne der CDU/CSU will durch die Hintertür des Ausschlusses doppelter Staatsangehörigkeit den Türken die Bürgerrechte verwehren.

Genüßlich zitierten türkische Medien CSU-Politiker, die das offen zum Ausdruck bringen. Etwa den bayrischen Landtagsabgeordnete Alois Glück, der davon sprach, daß „eine Gesellschaft, wo Christentum und Islam gleichwertig sind, den Weg für Konflikte öffnet“. Gegen Bayerns Ministerpräsidenten Stoiber, der einen Vergleich zwischen der doppelten Staatsbürgerschaft und der RAF zog, wurden schwere Geschütze aufgefahren. In Hürriyet, der meistgelesenen türkischen Zeitung in Deutschland, hieß es: „Die Politiker erklären Türken, die seit 40 Jahren hier leben und arbeiten, den Krieg. Wer wird verantwortlich dafür sein, wenn Skins wieder türkische Häuser abfackeln?“ Die Kampagne sei Gift für das Zusammenleben von Ausländern und Deutschen. „Ein Spiel mit dem Feuer“, urteilte Milliyet und sprach von einer „wildgewordenen Front der Provokateure“.

Der Entwurf dagegen, den Innenminister Otto Schily vorstellte, hat gerade deshalb Beifall geerntet, weil er die doppelte Staatsangehörigkeit ermöglicht. „Danke, Schily“, titelte Sabah und sprach von „einem historischen Schritt für den Frieden“. Milliyet entdeckte gar in dem Entwurf die „Revolution des Jahrhunderts“.

Auch die Ideologen, die nicht unbedingt die Interessen der Migranten im Auge haben, sondern sie als verlängerten Arm türkischer Politik begreifen, tummelten sich auf den Zeitungsseiten. Die Griechen in den USA stellten ein erfolgreiches Beispiel dafür dar, was „ein Land gewinnt, das Bürger seiner Herkunft in einem starken Staat hat“, so ein Kommentar in Sabah. Ganz anders könnte die Türkei in der Weltpolitik mitmischen, hätten vor 80 Jahren hunderttausend Türken den Atlantik überquert. Ein Kolumnist der Hürriyet, der mit Vehemenz den neuen Entwurf bekämpft, weil dieser Deutschkenntnisse bei der Einbürgerung voraussetzt, atmet erleichtert auf, wo es um die Verfassungstreue geht: „Islamisten und PKKler können nicht Deutsche werden.“

Die türkischen Migranten in Deutschland geben sich erfreulich pragmatisch. Die Auffassungen, die sie in den Zeitungen zum Ausdruck bringen, sind frei von jeglichem Bemühen, für die Interessen des türkischen Staates Partei zu ergreifen. Nur zeigen sie – und das zu Recht – wenig Verständnis für die politische Kultur in Deutschland, die Ängste erzeugt. Ramazan Avci: „Meine Eltern kamen aus Jugoslawien in die Türkei. Damals konnten sie kaum Türkisch. Doch sie wurden nicht ausgegrenzt. Heute, in Deutschland, frage ich meine Kinder: ,Seid ihr Deutsche oder Türken?‘ Sie antworten: ,Sowohl als auch.‘“ Ömer Erzeren