Blumfeld, die dritte: „Old Nobody“

Endlich mal wieder eine Platte, auf die man gewartet hat und die man seinen Freunden „unbedingt“ aufnehmen muß. Endlich mal wieder eine Platte, bei der mit Textblättern argumentiert wird. Doch da steht bei Old Nobody längst nicht alles drin. Nach vier Jahren Pause machen es Blumfeld sich und uns alles andere als leicht mit diesem Bekenntnis zum Sentiment, zum Kitsch, zur Geste. Immer wieder Liebeslieder. Und natürlich ist „ich“ wieder mal das am häufigsten verwendete Wort.

Nach ihrem Debüt Ich-Maschine (Ich/Text), nach L'Etat et Moi (Ich/Staat) hält sich Old Nobody trotz oder wegen seines Titels lange beim guten alten „Ich und Du“ auf, bei einer Art Politik des Begehrens. Dafür werden die textlichen und musikalischen Floskeln der Liebeslyrik bemüht, gelegentlich auch zitiert. Floskelpop also. In ihren besten Momenten liegt Old Nobody aber ein wenig neben den sprichwörtlichen „Flugzeugen im Bauch“, und Sänger Jochen Distelmeyer, zugleich Dornenboy und Milchgesicht, holt über die Phrasierungen die Phrasen ein. Darin den Pet Shop Boys („The Lord Of Song“) und George Michael („Tausend Tränen tief“), dem sie live immer wieder Tribut zollten, nicht einmal unähnlich. Und sich selbst in einer anderen Zeit („Mein System kennt keine Grenzen“).

Nur streckenweise haben sie also die Independentfolie, die alten Zusammenhänge und die Argumentationslogik ihrer Thesenpapiere abgestreift, um sich in der emphatischen Behauptungslogik von Pop neu zu erfinden. Zuschreibungen – und das ist die eigentliche Stärke dieser heillos zerrissenen Platte – entzieht sich Old Nobody immer wieder durch eingeschriebene Gegenargumente. Endlich mal wieder eine Platte, die sich einem einfachen Zugriff der Diskursmaschinerie mit einfachen Mitteln erwehrt. Endlich eine Platte, bei der man sich nicht entscheiden kann und will. Denn ihr System kennt keine Grenzen.

Volker Marquardt