■ Jürgen Trittin wird attackiert, weil er seinen Job ordentlich macht
: Der Rammbock für den Atomausstieg

Der häßliche Deutsche trägt einen Schnurrbart. Das jedenfalls ist das Bild, das seit Wochen vom grünen Umweltminister Jürgen Trittin gezeichnet wird. Zu den Vorwürfen, der Atomminister sei ein unverantwortlicher Radikalinski, kommen bei der Auseinandersetzung um das Ende der Wiederaufbereitung in La Hague und Sellafield jetzt auch noch die außenpolitischen Bedenken: Der „Störfall Trittin“ gefährde die Freundschaft mit England und Frankreich, betreibe Politik „nach Gutsherrenart“, der Ausstieg könne „im Chaos enden“, heißt es.

Dabei macht Jürgen Trittin eigentlich nur eins: seinen Job. Auch beim ersten großen Konflikt mit Bundeskanzler Schröder hat er sich an seine Kompetenzen gehalten: Er durfte die Atomkommissionen besetzen, also tat er es auch. Er ist der Minister im rot- grünen Kabinett, der für Atomkraft zuständig ist und den im Koalitionsvertrag festgelegten Ausstieg vorantreiben muß. Also verhandelt er mit den Wiederaufbereitern – und weist darauf hin, daß in den Verträgen „höhere Gewalt“ ausdrücklich auch als Regierungshandeln definiert ist, die einen Schadenersatz beim Ausstieg ausschließt. Daß es der französischen und britischen Regierung nicht egal sein kann, wenn die staatlichen Atombetriebe ihre besten Kunden verlieren, ist klar. Doch Paris und London spielen dabei das gleiche Spiel wie die deutsche Atomindustrie: Je lauter der angebliche Schaden beklagt wird und je höher die Milliardenforderungen geschraubt werden, desto mehr Geld wird Rot-Grün für einen Kompromiß wie etwa die Konditionierung des deutschen Atommülls in den WAA auf den Tisch legen.

Daß allein Trittin derzeit so heftig in der Kritik steht, hat einen anderen Grund. Er ist der einzige Minister, der sich zur Durchsetzung des rot-grünen Projekts mit einer Industrie anlegt, die über viel Macht und noch mehr Geld verfügt. Seine FraktionskollegInnen zeichnen sich dagegen bisher größtenteils als artige Lobbystreichler aus. Landwirtschaftsminister Funke robbt sich an den Abbau von Agrarsubventionen nur sehr vorsichtig heran; Verkehrsminister Müntefering baut alle Straßen, die auch sein Vorgänger wollte, und Wirtschaftsminister Müller möchte am liebsten die Wirtschaft vor der Ökosteuer schützen. Bundeskanzler Schröder sollte in der Tat von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, wie es häufig gefordert wird – und sich vor seinen Umweltminister stellen. Denn schließlich bewegt der sich nicht auf Abwegen, sondern füllt seine klar zugeteilte Rolle in der Koalition aus: Trittin ist der Rammbock, den Rot- Grün für den Atomausstieg braucht. Bernhard Pötter