Ostfrau for President

■ Die CDU gibt sich frauenfreundlich: Dagmar Schipanski Kandidatin für Bellevue. 55jährige Professorin aus Ilmenau machte steile Westkarriere

Berlin (taz) – Die einen sehen sie als die ideale Kandidatin für das Amt einer Bundespräsidentin. Die anderen schütteln den Kopf darüber, daß die CDU eine angesehene Frau zu „Spielchen“ im Gerangel um Schloß Bellevue benutzt. Die 55jährige Spitzenwissenschaftlerin Dagmar Schipanski wird aller Voraussicht nach Kandidatin der Union für die Präsidentschaft. CDU und CSU sollten sie dazu gestern abend auf ihrem Strategiegipfel nominieren.

Die Ilmenauer Professorin für Festkörperelektronik Dagmar Schipanski war die erste weibliche Vorsitzende des Wissenschaftsrats. Sie leitete das einflußreiche Gremium von 1996 bis 1998, das Empfehlungen über die Vergabe milliardenschwerer Forschungsbeträge herausgibt. Schipanski lehrt an der europaweit angesehenen Technischen Universität im thüringischen Ilmenau. Zur DDR- Zeiten weigerte sich die Tochter eines evangelischen Pfarrers, in die SED einzutreten – und durfte deshalb nicht Professorin werden. Nach der Wende in der DDR machte sie um so schneller Karriere: Sie begutachtete für die EU wissenschaftliche Programme und arbeitete für die Hochschulrektorenkonferenz. Ehe sie an die Spitze des Wissenschaftsrats wechselte, stand sie 1995/96 der TU Ilmenau als Rektorin vor.

Die im thüringischen Sättelstädt geborene Frau kann ist keine dogmatische Konservative. Zwar ist sie prinzipiell dafür, Energie aus der Atomspaltung zu gewinnen. Die französischen Atomwaffentests verurteilte sie aber als „unverantwortlich“. Schipanskis wissenschaftliches Credo besteht neben ihrem zentralen Begriff der „Innovation“ darin, die Hochschulen als wissenschaftliche Einrichtungen stärker finanziell zu fördern. Schipanski hält dementsprechend ein erweitertes Verständnis von Bildung hoch: „Bildung ist mehr als Ausbildung. Sie hat auch mit Befähigung zu Kultur und Demokratie zu tun.“ Dem Beamtenstatus von Professoren steht sie ebenso skeptisch gegenüber wie den veralteten Strukturen der Wissenschaft im Westen der Republik.

Die Kandidatur der habilitierten Ingenieurin hat der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) vorgeschlagen. Schipanski war kaum im Gespräch, da gab es bereits Knatsch. In der CDU-Spitze kam Kritik auf, ein weiteres Mal von der Achse Stoiber–Schäuble vor vollendete Tatsachen gestellt zu sein. Und die SPDlerin Ulla Schmidt, eine vehemente Frauenfördererin, kritisierte bitter die Union: Hätten CDU/CSU die Mehrheit in der Bundesversammlung, würde sie sicher einen Mann präsentieren. Nun aber werde eine seriöse Frau zu „Spielchen“ mißbraucht. cif