Krach bei den Metallern

6,5 Prozent mehr Lohn fordert die IG Metall, zwei Prozent Plus bieten die Arbeitgeber. Am Donnerstag endet die Friedenspflicht, danach droht Streik  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Auf der Internetseite der IG Metall tobt der Klassenkampf. „Wir haben doch jahrelang Lohneinbußen hingenommen, was die Kaufkraft geschwächt hat und die Inlandsnachfrage gesenkt hat. Wie lange denn noch“, fragt Jürgen Kalmbach aus Reutlingen und setzt vier Fragezeichen hinzu. „Mit dem Geld, auf das wir verzichten, konnten andere Firmen aufgekauft werden, was wieder zur ,Freisetzung‘ von Arbeitskräften führte und dadurch den Gewinn steigerte.“ Drei Ausrufezeichen. Nicht nur die Basis zetert. Auch beim Vorstand der weltweitgrößten Einzelgewerkschaft wird der Ton schärfer. Sogar einen Streik hält man für möglich.

Satte 6,5 Prozent fordert IG- Metall-Chef Klaus Zwickel für die 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie. Zwei Prozent für alle plus eine Einmalzahlung von einem halben Prozentpunkt je nach Ertragslage des Unternehmens bietet der Arbeitgeberverband Gesamtmetall seit dem Wochenende an. „Eine geradezu popelige Zahl“, meinte IG- Metall-Vize Jürgen Peters gestern dazu. Gewinnabhängige Lohnelemente werde es in der Metallindustrie nicht geben.

Spätestens seit dem Wochenende ist der Burgfriede, den Gewerkschafter und Arbeitgeber vor der Bundestagswahl geschlossen hatten, vorbei. Auf ihrer Tagung in Offenbach zeigten 3.000 Gewerkschaftsfunktionäre ihrer Führung, wie mies die Stimmung in den Betrieben ist. Vor allem die Autoindustrie blickt auf pralle Auftragsbücher und satte Gewinne. Nach Jahren der Rationalisierung findet das differenzierte Arbeitgeberangebot keine Zustimmung.

Die Kluft ist tief. In keinem der fünf Tarifbezirke, in denen derzeit verhandelt wird, zeichnet sich ein Kompromiß ab. Am Donnerstag um Mitternacht endet die Friedenspflicht in den Betrieben. Wochenlang hatten die Arbeitgeber sich um ein konkretes Lohnangebot gedrückt, nun bleiben nur noch wenige Tage zum Verhandeln. Falls die Arbeitgeber bis Donnerstag kein akzeptables Angebot unterbreiten, werden ab Freitag früh Warnstreiks folgen. „Unser Mobilisierungskonzept steht“, sagte gestern ein Gewerkschaftssprecher zur taz. „Das wird eine sehr breite Welle geben.“

Ein letztes Signal sandte IG- Metall-Vize Peters gestern an die Gegenseite. Liege bis zum 11. Februar kein „seriöses“ Angebot auf dem Tisch, werde die IG Metall zum Streik aufrufen. In der Zentrale wird damit gerechnet, daß danach die ersten Bezirke eine Urabstimmung fordern. Es scheint ausgeschlossen, daß die Gewerkschaftsspitze da nicht mitzieht.

Die Arbeitgeber warnen vor einem Arbeitskampf. Angesichts der wirtschaftlichen Risiken der vergangenen Monate wäre ein Streik „völlig deplaziert“, sagte Gesamtmetallchef Werner Stumpfe. „Ein Tarifabschluß, der nicht in die wirtschaftliche Landschaft des Jahres 1999 paßt, führt zum Verlust von Arbeitsplätzen und erhöht die Arbeitslosigkeit.“ Der Tarifabschluß müsse sich an der Leistungsfähigkeit schwacher Betriebe orientieren.

Nach Angaben von Gesamtmetall liegen nicht alle Betriebe der Branche in der Gewinnzone. So sollen 20 Prozent von ihnen rote Zahlen schreiben und 50 Prozent an der Gewinnzone „operieren“. Diese Zahlen mag der Peters nicht glauben. Für ihn gehören sie „in die Märchenstunde“.

Bevor die Metaller ihre hohe Lohnforderung zur Diskussion stellen, wollen sie eine Liste der Betriebe sehen, die wirtschaftlich am Abgrund lavieren. Bislang scheuen die Unternehmer davor zurück.