■ Kleine Chronik einer Herrscherfamilie, die aus der possierlichen Stadt Hannover stammt
: Kein Empfehlungsschreiben

Für Blaublutsauger und Yellow press ist die Hochzeit zwischen Caroline von Monaco und dem welfischen Prügel-Prinzen zweifellos das Ereignis des beinahe noch jungfräulichen Jahres. Aufgeklärte Zeitgenossen beteiligen sich natürlich nicht an den despektierlichen Spekulationen über eine eventuelle Schwangerschaft der 42jährigen Prinzessin, sondern nutzen die Gelegenheit zu einem kleinen Ausflug in die Geschichte, zerren Hintergründe und Fakten ans Licht, um die Frage zu beantworten: Wen haben sich die Grimaldis da in den Palast geholt?

Um das deprimierende Ergebnis vorwegzunehmen: Rein genetisch betrachtet ist die Disposition des Prinzen von Hannover, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg, königlichen Prinzen von Großbritannien und Irland, Herzogs von Cumberland leider nicht gerade ein Empfehlungsschreiben.

Die Meldung, daß Elisabeth II. die Heirat genehmigen mußte, weil sie offiziell das Oberhaupt der Welfenfamilie ist, weist uns den Weg in die Chronik der Herrscherfamilie, die aus der possierlichen Stadt in Norddeutschland stammt. Seine königliche Hoheit Ernst August von Hannover, wie er sich seit 1990 nennt, steht nach Aussagen zuverlässiger Adelsreporter an 176. Stelle der englischen Thronfolge. Viele, viele Jahre bevor Ernst August mit dem einleitenden Gebrüll „Gehen Sie weg, Sie Schwein“ mit seinem Regenschirm auf einen Kameramann eindrosch, was ihn 90.000 Mark Buß- und 15.000 Mark Schmerzensgeld kostete, wechselte sein Vorfahr Georg Ludwig nach London und Windsor. Darauf hatten die Welfen, die sich bis dahin durch die Silberbergwerke im Harz und Soldatenverkäufe finanzierten, dreizehn Jahre lang gewartet, denn der Act of Settlement von 1701 hatte die Chance eröffnet: Sie waren die nächsten auf Albions Thron.

„Over, over, Hanover, over! Put in your claim before it's too late“, sang man während der Latenzzeit in den Straßen der Themse-Metropole. Und dann kamen sie: Georg I. – „pompös, würdevoll, dick, träge, dünkelhaft, starrsinnig, nie hat er ein Buch gelesen, nie sich eine Frage gestellt“ – brachte seinen kompletten Hofstaat von der Leine mit, Mohren aus dem Türkenkrieg, zwei Mätressen, Minister und Berater. Liselotte von der Pfalz urteilte ehrlich: „Ein heimtückischer, heuchlerischer Egoist, bar aller guten Eigenschaften, der keinen Wert darauf legt, jemandem zu gefallen, und sich für niemanden interessiert.“

Der Nachfolger Georg II. ging als Schottenschlächter in die Geschichte ein, privat jedoch beließ er es bei einer Tracht Prügel, wenn er seine Gattin beim Bücherlesen erwischte. Sohn Georg III. mußte alsdann nicht nur den Verlust der amerikanischen Kolonien miterleben. Verhängnisvoller für ihn war der eigene geistige Verfall. 1810 ließ sich sein Schwachsinn nicht länger vertuschen, so daß die Regentschaft vorzeitig an seinen Sohn, den späteren Georg IV., überging. Der entpuppte sich als „Wüstling und Trunkenbold. Einer der leersten Menschen, die jemals einen Thron geschändet haben.“ (Treitschke)

Den Rekord an unehelichen Kindern schließlich hält Wilhelm IV., der letzte der Hanoverians. Mit seiner Mätresse Mrs. Jordan, einer Schauspielerin, hatte er zehn Kinder, die den schönen Nachnamen Fitzclarence verpaßt kriegten. Mit Wilhelms Tod endete die Personalunion, und die Engländer konnten endlich ihr Viktorianisches Zeitalter einläuten. Nicht nur die Whigs waren froh, daß Wilhelms Sohn Ernst August nach Hannover expediert wurde. Der Herzog von Cumberland galt als „the most unpopular prince of modern times“. Zurück an der Leine, hob der König zuerst das Staatsgrundgesetz auf, um anschließend die sieben dagegen protestierenden Göttinger Professoren um die Brüder Grimm rauszuschmeißen. Dafür setzte ihm das Bürgertum ein Denkmal mit einer nur auf den ersten Blick grammatisch verwirrenden Widmung: „Dem Landesvater sein treues Volk.“

Aber wie war noch mal die Frage? Wie schwanger ist Caroline? Nein! Wen haben sich die Grimaldis da nach Monaco geholt? Die Antwort weiß Gerhard Polt: „Was einmal genetisch so versaut ist, ist allein durch Prügel nicht mehr zu korrigieren.“ Dietrich zur Nedden