■ Die PDS im Spagat zwischen DDR-Nostalgie und Realpolitik
: Von der Staatspartei zur Sekte?

Die PDS befindet sich derzeit in einer Krise, die durch ihre Erfolge verursacht wird. Die Erfolge waren: Bei der Bundestagswahl übersprang sie erstmals die Fünfprozenthürde, in Mecklenburg-Vorpommern ist sie erstmals an der Regierung beteiligt. Die aktuellen Krisensymptome lauten: ein Vorstandsmitglied, das den Mauerbau verteidigt, eine begabte Fraktionsvorsitzende, die zurücktritt, weil sie beim Klauen erwischt wurde, und eine sichtbare Lücke hinterläßt, ein Vordenker, der den Glauben an die Reformierbarkeit der PDS verloren zu haben scheint.

Diese Krisenzeichen lenken den Blick auf das komplizierte Widerspruchsknäuel innerhalb der PDS. Die Partei bewegt sich gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen. Einerseits ist sie – siehe Mecklenburg- Vorpommern – auf dem steinigen Weg, ein integrierter Teil bundesrepublikanischer Politik zu werden, einen großen Schritt vorangekommen. Ein Teil der PDS scheint sich, wie die Grünen in den 80ern, langsam, aber stetig von einer Protest- in eine „Systempartei“ zu verwandeln.

Mit diesem Wandel wächst in der Partei freilich auch die rückwärtsgewandte Sehnsucht nach Vertrautem. Die Vorstellung, eine normale Partei zu werden, ist nicht nur Wunsch-, sondern auch Angstbild. Deshalb wird der Integrationsprozeß von verstärkter Ostalgie begleitet. Daß der Parteitag kürzlich mit Michael Benjamin ein Mitglied der Kommunistischen Plattform in den Vorstand wählte, war ein Zeichen, daß die Partei beides will: realpolitisch im Westen ankommen und mental in der DDR bleiben.

Auch wenn ein bißchen DDR-Nostalgie stets der Kitt bleiben wird, der die Brüche in der überaus disparaten Partei verdeckt – die PDS muß sich entscheiden, ob sie mehr als ein DDR-Traditionsclub sein will. Bleibt sie dies, so wird sie verschwinden, sobald sie ihre Rolle erfüllt hat: den Ex-Eliten den Weg in die neue Republik zu ebnen und eine Weile eine kleinbürgerlich-autoritäre Klientel gebunden zu haben, die sonst in die Fänge von Rechtsextremen geraten wäre.

„Zwischen Staatspartei und Sekte ist alles möglich“, so urteilte der resignierte Wahlkampfmanager André Brie vor einem knappen Jahr. Auch wenn sich die PDS in die Bundesrepublik integriert, fängt das Problem erst an: wie linkssozialdemokratische Politik in Zeiten der Knappheit aussehen soll. In Sachsen- Anhalt, wo die PDS die SPD toleriert, ist die Partei gerade dabei, ihre Klientel mit der Erkenntnis zu verärgern, daß auch im Sozialbereich gekürzt werden muß. Je erfolgreicher – und „sozialdemokratischer“ – die PDS wird, um so schwächer wird sie als Partei. Gerade ihr Erfolg bedroht die PDS im Kern. Stefan Reinecke