Wegweiser durch den Handy-Dschungel

■ Der Preiskrieg der Mobilfunk-Firmen führt zu allgemeiner Verwirrung bei Kunden

Hamburg (taz) – Bei der Handy-Industrie herrscht Goldgräberstimmung. Bereits 1998 gingen den Telefongesellschaften über fünf Millionen Neukunden ins Netz, Ende des Jahres hatten rund 13,5 Millionen Deutsche ein Handy. Das entspricht einem Zuwachs von 65 Prozent binnen Jahresfrist. 1999 wollen die Netzbetreiber noch einmal rund fünf Millionen neue Verträge abschließen. Schon zum Osterfest soll dann jeder fünfte, zu Beginn des Jahres 2000 jeder vierte Deutsche mobil erreichbar sein.

Mit immer neuen Sonderangeboten, Preissenkungen und Rabatten wollen die vier Giganten der Branche, T-Mobil (D 1), Mannesmann (D 2), E-Plus (E 1) und Viag Interkom (E 2) ihr hochgestecktes Ziel erreichen. Je nach Gesprächsgewohnheiten ist die Monatsrechnung schon jetzt nur noch halb so hoch wie noch vor einem Jahr. Doch die Sache hat einen Haken: Die Tarife werden – wie beim Festnetz – immer unübersichtlicher. Die meisten Neukunden, so zeigen Umfragen der Telefongesellschaften, entscheiden sich aus dem Bauch heraus für ein Angebot.

Furore machten die im letzten Herbst neu eingeführten Tarife für Ortsgespräche. Aber vielen ist nicht bewußt, daß Ortstarif nicht gleich Ortstarif ist. Während sich D 1-Kunden ihre Ortsvorwahl aussuchen können, gilt der D 2-Ortstarif immer für die Stadt, in der sich der Handy-Besitzer gerade aufhält. Je nach Telefongewohnheiten ist also eines der beiden Modelle wesentlich günstiger als das andere. Die Preise der beiden Marktführer sind dagegen fast gleich: Ein Ortsgespräch kostet für Privatkunden tagsüber 68 beziehungsweise 69 Pfennig pro Minute, alle übrigen Telefonate im Inland 1,29 Mark. Abends und am Wochenende werden 39 Pfennig berechnet.

Wer die ab Februar geltenden E-Plus-Tarife nutzt, telefoniert noch günstiger – vorausgesetzt, er hat ein regelmäßig gleich hohes Gesprächsaufkommen. Das Tarifmodell sieht sechs verschiedene Komplettpakete für einen monatlichen Grundpreis zwischen 25 und 299 Mark vor. In den Paketen sind jeweils 15 bis 1.000 Freiminuten enthalten. Rechnet man die bislang übliche Grundgebühr heraus, liegt der Minutenpreis selbst tagsüber zwischen 24 und 33 Pfennig. Der Haken: Wer sein Gesprächsaufkommen falsch geschätzt hat, muß entweder schon bezahlte Minuten verfallen lassen oder aber für jede zusätzliche Minute zur Hauptzeit 99 und zur Nebenzeit 39 Pfennig draufzahlen.

Handy-Besitzer, die hauptsächlich innerhalb von Ballungsgebieten telefonieren, sollten sich für Viag Interkom entscheiden. Ortsgespräche innerhalb eines Ortsnetzes gibt bei E 2 nämlich schon für einen Minutenpreis von 29 Pfennig. Der Nachteil: Außerhalb des Netzes wird es ziemlich teuer – pro Minute tagsüber 1,99 Mark, in der Nebenzeit 99 Pfennig. Viag Interkom hat allerdings einen Vieltelefonierer-Tarif mit einem Monatsgrundpreis von 60 Mark angekündigt, bei dem sämtlich Gespräche zum Ortstarif abgerechnet werden. Weiterer Nachteil: Anders als bei der Konkurrenz wird der Handy- Kauf nicht subventioniert, so daß der Anschaffungspreis bis zu 300 Mark höher liegt.

Aber auch, wer schon einem Netzbetreiber vertraglich verpflichtet ist, kann seine Rechnung drücken. Oft bieten sogenannte Callback- und Call-through-Dienste billigere Tarife als die Netzbetreiber an. Die Kunden wählen dazu eine Vermittlungsstelle an. Callback-Dienste rufen automatisch zu weitaus günstigeren Tarifen zurück und umgehen so den Netzprovider. Beim Call-through- Verfahren rufen die Kunden eine kostenfreie 0800er-Rufnummer an und geben eine PIN-Nummer ein.

Abgerechnet wird in beiden Fällen entweder über „Calling Cards“, die es an Tankstellen oder Kiosken zu kaufen gibt. Manche Callback- oder Call-through-Dienste verlangen einen Vertrag. Das kann sich aber lohnen: Beim Call- through-Anbieter First Telecom (0800-456 08 00) zum Beispiel kostet die Minute vom Handy ins Festnetz in der Hauptzeit 59 Pfennig, in der Nebenzeit 38 beziehungsweise 35 Pfennig. Anbieter wie Interroute (0800-665 00 66) oder Starcom (0231-863 23 60) verlangen ähnliche Preise.

Handy-Fans dürfen sich auch in diesem Jahr wieder auf neue Preissenkungen und Angebote freuen: Mobilcom etwa plant, auch für den Mobilfunk das aus dem Festnetz bekannte Call-by-call-Verfahren einzuführen. Zwar hat die Regulierungsbehörde dem zunächst eine Absage erteilt, Firmenchef Gerhard Schmid will den Antrag aber trotzdem durchboxen. T-Mobil will die bisher geltende Vertragslaufzeit von zwei Jahren lockern, und die Deutsche Telekom und Viag Interkom planen, Mobilfunk und Festnetz zu vereinen. Jens Uehlecke