Hamsterrolle in die Unendlichkeit

■ Geometrie und Bewegung: Jan Peter E.R. Sonntags außergewöhnliche Klangperformance „N-Spiral“ auf Kampnagel

Einmal Kampnagel in Richtung Unendlichkeit. Als Flug mit Turbulenzen und guter Bordunterhaltung läßt sich Jan Peter E. R. Sonntags einstündige Klangperformance N-Spiral beschreiben. Von den Hostessen auf den Weg gebracht, ist der Besucher einer alptraumhaften, klaustrophobischen Situation ausgesetzt, um schließlich durch die vermutlich beste Hula-Hoop-Tänzerin, die es gibt, erlöst zu werden.

Der Künstler und Musiker Sonntag experimentiert seit Jahren mit Tönen und ihrer Wirkung auf das menschliche Gemüt. Seine sogenannten „psychoakustischen Klangphänomene“ hat er bereits in verschiedenen Installationen ausprobiert und anderen zugänglich gemacht. Im Rahmen von N-Spiral wird das freiwillige Erlebnis, das man als Ausstellungsbesucher mit einem Klangobjekt haben kann, eingefügt in feste Abläufe mit zeitlichen Vorgaben. Je länger eine Situation dauert, desto länger ist man ihr ausgesetzt.

Von der Tribüne in der Halle k6 blickt man auf ein durch Schwarzlicht beleuchtetes Feld aus Linien und Kreisen, wie sie sonst in Turnhallen zu finden sind. Diese Konstruktion fluchtet auf einen Punkt mit idealer Sicht. Im Mittelalter war dies der Platz des Fürsten, bei N-Spiral ist es der des Zeremonienmeisters Sonntag. Die Hostessen beginnen nach Regeln, die nur sie kennen, Zuschauer ins Feld zu führen. Der Tänzer John Carlson bewegt sich galant zwischen den so Abgestellten. Für das Publikum ein etwas langatmig inszenierter Kontrast zwischen Geometrie und Bewegung, daran ändert auch das wummernde Klang-Kraftfeld nichts.

Zweiter Akt. Die Hostessen bitten an Bord. Im schwarzen Zylinder sitzt man sich gegenüber wie in der Hamsterrolle auf dem Dom. Über den Köpfen kreist ein Monstrum, Beleuchtung und Lautsprecher in einem. Als das Geräusch des Fallens aus dem Lautsprecher anschwillt, das Licht immer nervöser kreist und schließlich eine Frauenstimme von einem Endlos-Tonband suggeriert: „Stell dir vor, du wirst diesen Augenblick wiedererleben, du mußt dieses Leben noch einmal, noch unzählige Male leben“ – in diesem Moment wird es wirklich psycho-akustisch.

Nach gut 20 Minuten wechselt die Lichtquelle, und die Geräuschschleife wird durch anwachsende Geschwindigkeit abgelöst. Zu computergesteuerter Klavierbegleitung läßt Viktoria Lapidus bis zu zehn glitzernde Hula-Hoop-Reifen gleichzeitig kreisen, alles dreht sich immer schneller – bis ein flackerndes Stroboskoplicht kurzfristig für optischen Stillstand sorgt. Ein schönes Bild.

Britta Peters

noch heute und morgen, 20.30 Uhr, k6 auf Kampnagel