Die Türkei wird nervös

■ Zunehmende Spannungen zwischen Ankara und Washington wegen der Irak-Politik

Istanbul (taz) – Die Spannung um den Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden der Türkei, den die US-amerikanische und britische Luftwaffe als Basis für die Überwachung Nordiraks nutzt, steigt täglich. Gestern kam es im Laufe des Tages zu einem Verwirrspiel um einen angeblichen Beschuß des Stützpunktes von Irak aus. Der türkische Nachrichtenkanal NTV meldete, Irak habe eine Scud-Rakete auf Incirlik abgeschossen. Auf dem Stützpunkt war Alarm gegeben und der Zugang eine gute Stunde geschlossen worden.

Während ein Sprecher der US- Armee in der Türkei abwiegelte und von einer Übung sprach, erklärte ein US-Armee-Sprecher in Deutschland, der Alarm sei ausgelöst worden, weil ein Angriff mit Scud-Raketen gemeldet worden sei. Der Kommandant des Stützpunktes habe Gasmasken ausgeben lassen. Kurz nach dem US-Dementi in der Türkei erklärte Ministerpräsident Bülent Ecevit, nach türkischen Informationen sei tatsächlich eine Scud-Rakete nordöstlich von Incirlik in der Nähe Diyarbakirs von Patriot-Raketen abgeschossen worden.

Die türkische Regierung hatte in den letzten Tagen mehrfach das amerikanische Vorgehen gegen den Irak kritisiert. Außenminister Ismail Cem hatte am Mittwoch klargestellt, die türkische Regierung werde nicht akzeptieren, daß die USA oder Briten von Incirlik aus irakische Stellungen bombardieren. Auch gestern wurde wieder eine Luftabwehrstellung im Nordirak bombardiert. Ecevit hatte erst vor wenigen Tagen die USA aufgefordert, ein klares Konzept für ihre Irak-Politik vorzulegen. Nach einem Gespräch mit dem US-Botschafter am Montag veröffentlichte die türkische Regierung dann am Dienstag einen eigenen Irak-Plan, in dem der Sturz Saddam Husseins nicht vorgesehen ist. Statt dessen betont die Türkei ihre Sorge um die nationale Integrität des Irak. JG Kommentar Seite 12