Chomeinistische Choräle

Der Iran ist ein sehr fremdes Land für westeuropäische Augen: die Scharen schwarz verschleierter Frauen, flammende Haßtiraden auf den Satan USA beim Freitagsgebet, eine selbst für deutsche Gewohnheiten unfaßbare Bürokratie und ein Autoverkehr, in dem jeder Schumi Angst bekäme. Alles so fremd – und doch gab es eine Konstante von Anfang an: Ajatollah Chomeini. Er war einfach immer überall – auf riesigen Wandgemälden, an Häusern, in Geschäften, im Fußballstadion. Meist grimm und grummelig. Und immer als Kunstwerk: Chomeini gemalt, gepinselt, gezeichnet, gemeißelt. In Öl. Als Graffito. Oder im Barockrahmen.

Der Mullahstaat ist eine Art Großmuseum vieler Stilrichtungen. Seltsame Sachen sind darunter – altmeisterliche Lasurmalereien wie von Rembrandt. Manchmal würden Kunsthistoriker Anleihen bei Warhol reklamieren. Oder es übelsten Kitsch nennen. Zwei der Bilder auf diesen Seiten spielen als profane Konsumgüter schon ins Kunsthandwerkliche: Des Ajatollahs Antlitz (zusammen mit Nachfolger Chamenei) neben verpönter US- Fluppe und Handgranate als Schlüsselanhänger – alleatorische Konzeptkunst in der Auslage eines Basars (Stück dreißig Pfennig). Passend dazu das Kassettencover chomeinistischer Choräle in sphärisch entrückter Spritztechnik. Aufschrift: Das „Manifest der Befreiung“ vom „Botschafter des Sonnenscheins“. Im großen Bild – steinern-monumental im Halbrelief, Denkmal hinter Linienbus – streckt Chomeini wie grüßend die Hand aus, eine schon fast heilandhafte Geste. Ähnlich das Grußbild mit erneuten Anleihen christlicher Ikonographie: Chomeini als Weltenlenker. Text: „Unsere Revolution ist...“ – eine der Unterdrückten des ganzen Universums? Bernd Müllender

Andreas Teichmann, 28, aus Essen ist laif-Fotograf, Teilnehmer der World Press Master Class und arbeitet regelmäßig für Magazine wie Geo, Econy oder Du

Bernd Müllender, 42, freier Journalist aus Aachen, schreibt u.a. seit 15 Jahren für die taz. Beide waren 1998 für eine Reportage im Iran