piwik no script img

Radiocheck

Heute abend: Malaria. Deutsch-deutsche Begegnung als Farce, angerichtet mitten in Berlins Kranlandschaft. Eigentlich kann man es schon nicht mehr hören. Simone Schneiders maliziösem Hörspiel Malaria jedoch kann ruhig ein Ohr gewährt werden, denn sie läßt die Klischees tanzen wie in einem Flohzirkus.

Drei Ost-West-Paare zeichnen die Vereinigung. „Welches schwarze Loch zieht meinem Stern die Masse ab?“ fragt der reiche Immobilienbonze aus dem Westen, ausgestattet mit Porsche, Therapeutin und inzestuöser Lust auf seine Tochter Isa. Sie ist in die Baugrube des Papas gefallen, zusammen mit Dionysos, der zum Objekt ihrer Begierde wird. Dieser ist die einzige Erinnerung, die vom griechischen Urlaub der ostdeutschen Schriftstellerin Lisa übriggeblieben ist, denn dort wurde er mit „Zeus“ – wer das wohl ist? – gezeugt.

Die Farce enthält unterschiedlich kleingehackte Stereotypen, die zwischen Wohlstand und Wüste kursieren, zwischen „westdeutschem Michel“ und „ostdeutscher Schlafsucht“, dem dritten Paar. Erst ein Deus ex machina vollbringt das vermeintlich märchenhafte Ende, in dem er Dionysos tatkräftig von seinen Daumen befreit und ein Götterkind gezeugt wird. Auf diese wundersame Weise wird das zusammengeführt, was nicht zueinander finden würde. So wie der Himmel der „Farbe eines Gullideckels“ gleicht, erscheinen einem auch die Hörräume, in denen sich die Paare bewegen, seltsam grau und unbestimmt. Sie entziehen sich der eindeutigen Zuordnung und geben genau dadurch die Stimmung auf der Baustelle der Vereinigung wieder.

Einzig die kurzen Musiksprengsel verbreiten Atmosphäre, vom Punk über Hugo Strasser zur Kaffeehausmusik. Und die facettenreichen Stimmen der Sprecher: Besonders schön ist die Stelle, wo sich Vater Kettling (Friedhelm Ptok) mit hauchender Stimme über den Planeten Venus ausläßt und Isa (Antje von der Ahe) ihn unsanft und lapidar unterbricht.

Einige werden sich auf die Suche nach dem Nachwuchs begeben. Wenn nicht im Medium der Mehrfachverwertung, dem Radio, so im Hamburger Schauspielhaus. „Aus den Kindern der Vereinigung wird die Vereinigung wachsen.“ Nur gut, daß man das Götterkind immer noch umbringen kann.

Iris Drögekamp

Übertragung: heute, 0.05 Uhr, DeutschlandRadio Berlin, 89,1 MHz

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen