Ein lustiger Mann wird zum soliden Donnervogel

■ Boxprofi Bert Schenk darf heute um eine WM boxen. Daher heißt er jetzt Thunderbird

Berlin (taz) – Aus den Rauchschwaden tritt er hervor, die Musik („Thunderstrike“) spielt laut und drohend. Bert „Thunderbird“ Schenk läuft ein, sein Blick ist entschlossen, die Zuschauer sind schier hypnotisiert. So oder so ähnlich erhoffen sich das die Verantwortlichen von Universum Box- Promotion heute abend. In der Cottbuser Stadthalle, in der der Berliner Schenk (28) vor drei Jahren seine Profilaufbahn begonnen hatte, trifft er auf Freeman Barr von den Bahamas.

Bisher nannte den Bert niemand „Böört“, und den herrlich unpassenden Spitznamen Donnervogel hat Schenk auch erst vor ein paar Tagen verpaßt bekommen. Ansonsten ist er genau das, was man klassisch einen Rahmenkämpfer nennt. Auf Seiten der Veranstalter wird das natürlich anders gesehen. Mit seinen 21 Profikämpfen, die er alle gewann, soll er quasi noch ein Neuling sein, der behutsam aufgebaut wurde, um dann endlich um den vakanten Weltmeisterschafts-Mittelgewichtstitel nach WBO-Version zu boxen.

Die WBO ist bekanntlich der wichtigste Verband – nach den drei wirklich wichtigen. Der bisherige WBO-Weltmeister Otis Grant hatte seinen Titel freundlicherweise niedergelegt, um gegen den Topboxer Roy Jones kämpfen zu können. Auf der Weltrangliste des nicht als zu seriös bekannten Unternehmens WBO wird Schenk an erster Stelle vor Barr geführt. Also boxen die beiden. In der unabhängigen Computer-Weltrangliste steht Schenk allerdings an 51. Position, Freeman „the Natural“ Barr immerhin an 39.

Denen, die Schenk in diesen Tagen beim Probetraining besuchten, hat er natürlich versichert, er sei „in der Form seines Lebens“. Es ist klar: „Der Weltmeister wird Schenk heißen.“ Die Chancen stehen tatsächlich nicht schlecht. Das liegt nicht nur an seinem in Florida lebenden Gegner Barr (19 Kämpfe, eine Niederlage).

Im sehr erfolgreichen DDR- Amateurboxsport war Schenk nicht irgendwer. Der ehemalige Vorzeigeboxer des TSC Berlin absolvierte 215 Amateurkämpfe, wobei er bei zahlreichen Turniersiegen neben sämtlichen Weltklasse- Amateuren auch den Doppel- Olympiasieger Ariel Hernandez aus Kuba gleich zweimal schlug. Sein alter Boxkumpel Mario Schiesser, selbst amtierender deutscher Schwergewichtsmeister, sieht bei Schenk „ein Riesenpotential“. Jetzt kommt der Haken: „Wenn er einen soliden Lebenswandel führen würde.“

Da ist er wieder, der Hinweis auf sein unstetes Leben, seine Eskapaden, die ihn im Laufe seines Arbeitslebens immer wieder zurückwarfen. „Schenk kann es schaffen“, glaubt sogar Trainer Manfred Wolke vom konkurrierenden Sauerland-Boxstall, „wenn er richtig trainiert hat.“ Schenk selbst will auf seinen sinnfrohen Lebensstil zwar nicht ganz verzichten. Silvester war er aber schon um ein Uhr im Bett, wohlgemerkt in der Nacht und allein. „Man kann feiern, soviel man will, doch man muß wissen, wann“, hat der gebürtige Burger (Sachsen-Anhalt) nämlich erkannt und deshalb seiner Meinung nach diszipliniert trainiert wie lange nicht mehr.

So wird heute vielleicht ein Donnervogel aus den Rauchschwaden heraustreten und den Natürlichen ganz unnatürlich zu Boden strecken. Mathias Stuhr