"Die Ziele der EU sind nicht zu verwirklichen"

■ Interview mit dem Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Eberhard Meller: "Ein Quotenmodell ist dem Stromeinspeisungsgesetz überlegen." Im Jahr 2020 sollte

taz: Bis zum Jahr 2010 soll laut Vorgaben der alten Bundesregierung und der EU-Kommission der Anteil der regenerativen Energien auf zehn bzw. zwölf Prozent steigen. Ist dieses Ziel überhaupt erreichbar?

Eberhard Meller: Diese Zielvorstellungen bedeuten für die Stromerzeugung, daß sich der Anteil der Windkraft, Biomasse und Photovoltaik grob verzehnfachen müßte. Denn zusätzliche Beiträge aus der Wasserkraft können aufgrund der Genehmigungsproblematik kaum erwartet werden. Nach unserer Einschätzung kann der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2005 – bis dahin können wir die Entwicklung noch seriös prognostizieren – mit einem Kraftakt aller Beteiligten auf etwa acht Prozent angehoben werden. 1997 waren es knapp fünf Prozent. Die genannten Ziele sind deshalb aus unserer Sicht nicht zu verwirklichen. Auch das deutsche 100.000-Dächer-Photovoltaik-Programm änderte daran wenig. Der Anteil des Photovoltaikstroms an der Deckung des Stromverbrauchs in Deutschland allein aus diesem Programm bliebe deutlich unter 0,1 Prozent.

Wie wird der Energiemix in Deutschland im Jahr 2020 aussehen, und welche Rolle werden die erneuerbaren Energien spielen?

Prognosen, die soweit in die Zukunft reichen, sind schwierig. Deshalb beschreibe ich Ihnen den aus unserer Sicht auch im Jahr 2020 wünschenswerten Energiemix: Wie bisher sollte etwa ein Drittel des Stroms aus Kernenergie stammen, knapp die Hälfte aus Braun- und Steinkohle. Der restliche Strom würde – mit allerdings kontinuierlich wachsenden Anteilen – aus erneuerbaren Energien und Erdgas erzeugt.

Unvorhersehbar bleibt bei allen Abschätzungen, wie es mit der Kernenergienutzung in Deutschland weitergeht, wie sich der Erdgaspreis entwickeln wird und welchen Einfluß sich entweder bestätigende oder abschwächende Befürchtungen bei der Klima-Entwicklung auf die energiepolitischen Rahmenbedingungen haben werden. Gerade der letzte Aspekt könnte die Nutzung aller fossilen Brennstoffe zur Stromerzeugung und damit deren Anteile am Energiemix stark beeinflussen.

Grundlage für die stürmische Entwicklung beim Ausbau der Windenergie waren günstige Rahmenbedingungen. Insbesondere das seit 1991 geltende Stromeinspeisungsgesetz hat der Windkraftbranche Auftrieb gegegeben und sorgte für Planungssicherheit. Wie sieht die Zukunft des Stromeinspeisungsgesetzes aus?

Nicht nur aus verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Erwägungen, auch aus wettbewerbspolitischen und ökonomischen Überlegungen steht das Stromeinspeisungsgesetz auf dem Prüfstand. So wird beispielsweise eine wettbewerbsverzerrende Dauersubvention ohne jeden Rationalisierungsanreiz für die regenerativen Energien begründet. Wenn die Nutzung regenerativer Energien weiter deutlich vorangetrieben werden soll, wird dafür ein Förderinstrumentarium benötigt, das marktkonform ist. Es muß allen relevanten Akteuren Anreize bieten, sich auf dem Markt regenerativer Energien zu betätigen, und sicherstellen, daß mit den knappen Mitteln eine möglichst große Menge erneuerbarer Energien erschlossen wird.

Dänemark und die Niederlande haben angekündigt, Quotenregelungen zur Förderung der erneuerbaren Energien einzuführen. Worin sehen Sie die Vorteile eines Quotenmodells, und wie müßte es in die Praxis umgesetzt werden?

Wenn es in unserem Lande einen parteiübergreifenden Konsens gibt, dann in der Frage der Nutzung erneuerbarer Energien. Weit mehr als 80 Prozent der Bürger sprechen sich für die verstärkte Nutzung dieser Energien aus. Diese Präferenz für regenerative Energien könnte die Politik nutzen und jedem Energieverbraucher auferlegen, einen bestimmten Prozentsatz seines Verbrauchs aus regenerativen Energien zu decken. Auf diese Weise würde ein Markt für regenerative Energien geschaffen. Es entstünden Anreize, auf einem Handelsplatz regenerative Energien effizient zu erschließen und zu vermarkten. Ein solches Modell wäre dem Stromeinspeisungsgesetz überlegen.

Greenpeace fordert, beim Netzzugang „Ökostrom“ künftig zu privilegieren. Muß dies nicht kommen, um den regenerativen Energien eine echte Chance zu bieten?

Ökostrom wird bereits durch das Stromeinspeisungsgesetz und weitere Fördermaßnahmen privilegiert. Für eine zusätzliche Privilegierung ist der Netzzugang ungeeignet, da die Durchleitungsentgelte nach den gesetzlichen Vorgaben kostenorientiert und diskriminierungsfrei festzulegen sind. Würde man beim Ökostrom davon abweichen, würde ein Präjudiz auch für andere Durchleitungsfälle geschaffen, wie zum Beispiel die Durchleitung von Strom aus Kraft- Wärme-Kopplung oder aus Braunkohle in den neuen Ländern. Interview: Michael Franken