Kommentar
: Straßentheater

■ Polen: Die Bauern drohen mit einem Aufstand und einem Kulturkampf

Ein Bauernaufstand im Winter? Auf den ersten Blick könnte man meinen, daß die Geschichte in Polen sich weiterhin in einem Zehnjahresrhythmus abspielt. Nur ist es diesmal nicht die „Solidarität“ der Arbeiter, sondern die „Selbstverteidigung“ der Bauern, die großspurig eine Blockade des ganzen Landes ankündigt. Der ambitionierte und aggressive Bauernführer Andrzej Lepper, der schon 1995 bei der Präsidentschaftswahl kläglich unterlag, will wohl ein zweiter Walesa werden. Sein Traum ist es, alle Unzufriedenen zu sammeln – linke und rechte Gewerkschaftler, Lehrer, Krankenschwestern und Bergleute. Sein Ziel ist ein „Marsch auf Warschau“ mit allen Verlierern und Vergessenen der Transformation. Seine Haßfigur ist der Vater des polnischen „Wirtschaftswunders“, der liberale Finanzminister Balcerowicz, der gerade in einer Denkschrift vor einer wirtschaftlichen Stagnation warnte, falls die Finanzdisziplin gelockert und die Reform verlangsamt werde.

Das aktuelle Problem lautet: Die polnische Landwirtschaft hat infolge der russischen Krise etwa eine halbe Milliarde D-Mark verloren. Die Bauern fordern von ihrer Regierung Interventionsaufkäufe. Die Regierung wiederum behauptet, sie halte sich an die EU-Normen und überhaupt sei sie knapp bei Kasse. Diese Logik kennt man überall auf der Welt.

In Polen jedoch sind wirtschaftliche Probleme nicht nur technokratisch verhandelbare Sachfragen, sondern Teil der polnischen Ungleichzeitigkeit zwischen der Aufholjagd nach Europa und dem Aufprall der „beiden Polen“: jenes modernen, das schon einen Vorgeschmack seines künftigen Erfolges genießt, und jenes traditionellen, das durch die rasante Öffnung des Landes tief verunsichert ist. Dieser Streit birgt den Keim eines sozialen Konfliktes wie auch eines eigenartigen „Kulturkampfes“ in sich. Auch das Regierungslager ist gespalten. Die hastigen Sozialreformen haben Popularität und Selbstsicherheit gekostet. Soll man der Straße ein wenig nachgeben oder eisern Kurs halten?

Trotz allem muß die rechtsliberale Regierung nicht in Panik geraten. Nicht nur Väterchen Frost ist ihr Verbündeter. Viele Protestierende wollen „denen da oben“ ein wenig Angst einjagen, doch weder Regierung noch Demokratie demontieren. Dieser „Bauernkrieg“ ist vorerst nur ein frostiges (Land-)Straßentheater.

Adam Krzemiński Bericht Seite 4

Der Autor ist Redakteur der Zeitung Polityka