Vom Ausverkauf der Öffentlichkeit

„Der große Ausschluß“ im Kölibri: Das Unternehmen Stadt mag nicht mit jedem  ■ Von Britta Peters

Joolz, Aktivistin der britischen Poetry-Szene, wußte Bescheid. Als sie kürzlich in Hamburg gastierte, offenbarte sie dem Publikum, welche geheime Botschaft sie aus dem benachbarten Hauptbahnhof in den Backstagebereich der Markthalle schallen hörte: „Ich sehe Reiche kommen. Junkies, Penner, verpißt euch, aber schnell!“

Ein kurzer Hinweis auf ein viele Bereiche umfassendes Thema, dem die GWA St.Pauli Süd und das B-Movie jetzt mit Der große Ausschluß – Gefährliche Orte, urbane Visitenkarten und das „Unternehmen Stadt“ eine zweimonatige Veranstaltungsreihe widmen. Auf dem Programm stehen verschiedene Informations- und Diskussionsabende sowie eine Filmreihe, die von der Veranstaltung Baustopp-Randstadt aus Berlin übernommen wurde.

Die gleichen Personen, die nach Ansicht der Deutschen Bahn AG Sauberkeit und Sicherheit in den Bahnhöfen gefährden – Bettler, Junkies, Punks, Obdachlose und „herumhängende“ Ausländer –, werden auch anderswo des Platzes verwiesen. Im Zuge der zunehmenden Privatisierung von öffentlichem Raum – prominentes Hamburger Beispiel ist der Platz vor dem Steigenberger Hotel – ist das auch rechtlich kein Problem mehr. Prophylaktische Maßnahmen von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten gegen „unerwünschte Personen“ werden dabei mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der „normalen“ Bevölkerung gerechtfertigt.

„Tendenziell scheint die Sichtbarkeit von Armut ein weitaus größeres Problem darzustellen als Armut selbst“, beschreibt Sabine Stövesand von der GWA die Situation, die sich ihrer Ansicht nach in den letzten Jahren drastisch verschlimmert hat. Es werde ein neuer Normalitätsdiskurs geführt, der dazu beitrage, bestimmte Personengruppen und Verhaltensweisen, wie zum Beispiel „aggressives“ Betteln oder Alkoholkonsum auf offener Straße, zu kriminalisieren.

Standortwettbewerbist das Schlüsselwort für die soziale Zonierung der Städte. Soziale und stadtplanerische Überlegungen werden den gegenwärtigen oder zukünftigen Interessen investierender Unternehmen untergeordnet. Dieser Zusammenhang war Thema der ersten Veranstaltung Eingrenzen – Ausgrenzen, die im Januar im KöLiBri stattfand. Diese Woche diskutieren der Stadtsoziologe Norbert Gestring und der Jurist Ünal Zeran im Rahmen von Armutsghetto und/oder community die Frage, ob die Reaktion auf räumliche, soziale und rassistische Ausschlußmechanismen auch eine freiwillige Abkoppelung sein kann.

Daß räumliche Ein-/Ausgrenzung auch symbolisch funktioniert, zeigt die Kunsthistorikerin Monika Wagner am Beispiel der „Plazas“ von Manhattan. In ihrem Beitrag Fiktionen vom öffentlichen Raum oder: Kulturräume in den Tempeln des Kapitals untersucht sie Platzgestaltung als Ausdruck von Herrschaftsformen. Sowohl die Lage der Plätze, oftmals etwas oberhalb oder unterhalb des normalen Straßenniveaus, als auch die verwendeten teuren Materialien bewirken einen Selbstausschluß bestimmter Bevölkerungsgruppen, die nicht mehr das Gefühl haben, sich dort auf eine Bank setzen zu dürfen.

Man muß alles daran setzen, daß aus Hamburg nie Alphaville wird. In Godards Science Fiction von 1965, mit dem die Filmreihe im B-Movie eröffnet wird, kämpft Eddie Constantine alias Lemmy Caution gegen einen gigantischen Computer, der die Stadt kontrolliert und jede menschliche Regung mit dem Tod bestraft. Ebenfalls im Programm sind Visible Cities und Final Insult, zwei Dokumentarfilme über die Stadtentwicklung in Amerika, sowie Stadt der guten Hoffnung und Ab durch die Mitte über die Situation in Oberhausen. Im Kurzfilmflash laufen internationale Beiträge von 1945 bis 1998. In deren Titel findet sich, was die Stadt vermißt: Home im Land des Lächelns.

Veranstaltungen: 4.2. Armutsghetto und/oder community, 25.2. Wa(h)re Sicherheit, 25.3. Fiktionen von öffentlichem Raum, jew. 19.30 Uhr, Kölibri, Hein-Köllisch-Platz