Karawane der Liebe

The Beautiful South versöhnten harmonisch den Widerspruch zwischen Melancholie und politischem Kampf  ■ Von Volker Weidermann

Die Gäste waren tanzbereit. Allein, The Beautiful South, die freundliche Band aus Englands Mitte, hatte einen Balladenabend vorbereitet. Keine Frage, die Musiker um den charismatischen Frontman Paul Heaton haben ganz wunderbare Balladen im Programm.

Als Konzertbesucher fühlt man sich aber etwas deplaziert, so in der Menge stehend, wartend, die Beine leicht im Rhythmus einknickend und nach jedem Song etwas Höflichkeitsapplaus spendend... Gut, wenn es Clubsessel gegeben hätte, man hätte es gemütlich haben können. Aber so, in der unheimeligen Columbiahalle, paßte nichts so recht zusammen. Immerhin: Die Fans taten ihr möglichstes, britische Herrenclubatmosphäre zu verbreiten, rauchten Pfeifen und Zigarillos aus Vanilletabak und störten nicht durch laute Begeisterungskundgebungen die Stille des Konzerts. Doch die Band da oben spulte viel zu routiniert ihr Programm herunter, als daß überhaupt irgendeine Atmosphäre hätte aufkommen können.

Man muß sich erinnern: Auch die Konzerte der seligen Housemartins, aus denen Beautiful South vor zehn Jahren hervorgegangen waren, sind nicht immer Hochstimmungskonzerte gewesen. Aber da goß sich der gute Paul Heaton immerhin noch stilvoll einen Cognacschwenker nach dem anderen voll und bot seinen Fans zu trinken an. Heute nicht mehr. Heute steht er wie ein als Falco verkleideter Graf Zahl auf der Bühne, versucht sich, auf einen schwarzen Krückstock gestützt, in Michael-Jackson-Tanzpersiflagen und schwitzt in seinem schwarzen Kunststoffmantel uncool wie ein mittelenglischer Bergarbeiter.

Paul Heaton allerdings zeichnet sich durch etwas aus, das sich auch durch ein noch so mißlungenes Konzertarrangement nicht verderben läßt: seine Stimme. Ebenso wie seine wundervolle Mitsängerin Jacqueline Abbot, mit der er musikalisch bestens harmoniert, verfügt Heaton über eine sehr charakteristische Stimme. Gut, manche sagen, das Schönste an der Stimme sei, daß sie Erinnerungen an längst vergangene Housemartins-Zeiten wecke. Und vielleicht stimmt das ja auch. Aber sie ist trotzdem sehr weich, sehr belegt, sehr dunkel – und sehr geschaffen für das melancholische Kampflied.

Denn dafür sind Beautiful South ja auch bekannt: diesen Widerspruch in ihren Liedern schön versöhnt zu haben, zwischen Melancholie und politischem Kampf, zwischen unüberwindlicher Einsamkeit und politischer Massenvereinigung im Lied. Ach ja, aber dafür reicht eine Stimme leider auch nicht aus. Auch nicht zwei. Die Lieder der Band sind mit den Jahren immer eintöniger geworden, langweiliger, nebensächlicher.

In ihrem Heimatland sind Beautiful South eine der erfolgsreichsten Bands der Gegenwart, ihre Singles-Collection „Carry On Up The Charts“ ist auf den Inseln eines der meistverkauften Alben aller Zeiten. Und warum? Nach dem Konzert weiß man es weniger denn je. Nicht einmal die melancholischen Stimmungen sprechen noch wirklich aus den Liedern.

Es scheint, als habe sich die Band zurückgezogen in eine gelassene Innerlichkeit, in die ihnen, zumindest am Dienstag abend in der Columbiahalle, kaum noch jemand folgen kann.