Haßtiraden zum Prozeßauftakt

Bei der Eröffnung des österreichischen Briefbombenprozesses überraschte der Angeklagte Franz Fuchs das Gericht und die Anwälte mit lautstarkem Parolengebrüll  ■ Aus Wien Ralf Leonhard

„Es lebe die deutsche Volksgruppe! Ausländerblut – nein danke! Minderheitenprivilegien – nein danke!“ 27 ausländerfeindliche und rechtsradikale Parolen schmetterte Franz Fuchs in den großen Schwurgerichtssaal von Graz, als er gestern zum Beginn des Briefbombenprozesses vorgeführt wurde. Mit einem schlichten grauen Pullover bekleidet und ohne Handprothesen saß er unbeweglich da und wiederholte, zum besseren Mitschreiben, seine Haßtiraden, bis ihn Richter Heinz Fuhrmann abführen ließ.

Die Ausfälle des sonst so gefaßten mutmaßlichen Bombenhirns überraschten nicht nur die Geschworenen und Kameraleute, die erschrocken zusammenzuckten. Auch Pflichtanwalt Gerald Ruhri gab zu, daß er so ein Verhalten nicht erwartet hätte. Man hatte viel eher mit eisernem Schweigen gerechnet oder mit der Weigerung des Angeklagten, vor dem Richter zu erscheinen.

Fuchs wurde erst nach der Vereidigung der Geschworenen wieder in den Saal gebracht. Aber sein neuerliches Gebrüll brachte ihm einen schnellen Abgang ein. Das Spiel wiederholte sich zu Beginn der Anklageverlesung durch Staatsanwalt Winkelhofer und noch einmal vor dem Auftritt des Verteidigers.

Davor war Fuchs vom Gerichtspsychologen Reinhard Haller auf seine Verhandlungsfähigkeit untersucht worden. Haller konstatierte zwar „extreme nervliche Anspannung“, doch sei der Angeklagte durchaus verhandlungsfähig. Die Parolen wirkten sorgfältig einstudiert. In langen Monaten der Einzelhaft hatte Franz Fuchs reichlich Gelegenheit, seinen Auftritt vor der Weltpresse vorzubereiten.

Der Staatsanwalt brauchte fast zwei Stunden, um alle Elemente seiner Aklageschrift vorzutragen. Seine Kernaussage: Franz Fuchs ist gleich Bajuwarische Befreiungsarmee, ein Einzeltäter. Die ausländerfeindliche Kampforganisation, in deren Auftrag Fuchs die Briefbomben verschickt haben will, existiere nur in dessen Kopf. Er verfüge über ausreichend Kenntnisse in Physik, Chemie und Geschichte, um die Brief- und Rohrbomben allein gebaut sowie die vor historischen Anspielungen strotzenden Bekennerschreiben verfaßt zu haben. Um die Geschworenen zu beeindrucken, dokumentierte er seine Ausführungen mit Dias von Bomben und den nackten Leichen der Bombenopfer von Oberwart auf dem Obduktionstisch. Pflichtverteidiger Gerald Ruhri, der möglicherweise während der gesamten Verhandlung ohne seinen Mandanten auskommen muß, stellte erwartungsgemäß die Einzeltätertheorie in Frage. Daß Fuchs die Bomben selbst gebastelt und die Bekennerschreiben verfaßt habe, sei nicht erwiesen.

Fuchs droht die lebenslange Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher, egal, ob er als Einzeltäter oder Auftragsmörder verurteilt wird. Deswegen versuchte der Anwalt schließlich noch die Mordanklage zu erschüttern. Die Rohrbombe in Oberwart, die am 4. Februar 1995 vier Roma tötete, sei ohne Tötungsabsicht gelegt worden. Sie sei mit einem Zeitzünder ausgestattet gewesen, der in der Nacht die Explosion ausgelöst hätte.