Wenn der V-Mann plötzlich klingelt...

Patrick P., seit wenigen Tagen im Vorstand der Berliner JungdemokratInnen, erhielt überraschenden Besuch. An seiner Wohnungstür sollte er als Informant für das Landesamt für Verfassungsschutz geworben werden  ■ Von Otto Diederichs

Am Nachmittag des 13. Januar klingelt es bei Patrick P. in Prenzlauer Berg. Vor der Wohnungstür steht ein Mann um die dreißig. Jeans, modische Daunenjacke, normaler Kurzhaarschnitt, keine besonderen Merkmale. Er komme vom Landesamt für Verfassungsschutz und würde gern einmal mit ihm reden, sagt der Besucher. Irritiert bittet der zwanzigjährige Zivildienstleistende ihn herein. „Ich wollte schon wissen, was der will, aber nicht im Treppenhaus mit ihm reden.“

Im Flur verlangt Patrick P. zunächst den Dienstausweis. Damit hat der Gast keine Probleme. Es gebe da beim Verfassungsschutz eine Arbeitsgruppe, erklärt er, die sich mit politischen Extremisten beschäftige. „So Leuten wie Sie.“ Was das heißen soll, will Patrick P. wissen. Der Mann vom Amt rudert zurück. So sei das nicht gemeint gewesen. Der Verfassungsschutz müsse sich nun mal mit linken und rechten Extremisten beschäftigen. Hierzu unterhalte man Kontakte zu Leuten der „verschiedensten Szenen“. Auch suche man ständig nach neuen Mitarbeitern. Dabei sei eben auch Patricks Name gefallen und nun wolle er einmal nachfragen, ob nicht Interesse an so einer Mitarbeit bestehe.

Daß Patrick P. verneint, findet der Mann bedauerlich. Aber vielleicht wisse er von anderen, die hier offener seien. Namen, Adressen? Als P. wieder ablehnt, hat der Spitzelwerber es plötzlich sehr eilig, verabschiedet sich höflich und geht. Das Gespräch hat nur ein paar Minuten gedauert. Nicht einmal den Namen hat sich der verunsicherte Patrick P. gemerkt. Aber der wäre ohnehin falsch gewesen. Nachdem er sich von seiner Verwirrung erholt hat, informiert Patrick zunächst Freunde und dann den Landesvorstand der JungdemokratInnen/Jungen Linken über den Anwerbeversuch.

In deren Vorstand war der junge Zwickauer, der seit anderthalb Jahren in Berlin lebt, fünf Tage vor dem Besuch gewählt worden. Die grauen Herren hatten also rasch reagiert. Rund 150 Mitglieder zählt der Jugendverband in Berlin. Entstanden ist er 1992 aus der Vereinigung der im grün-alternativen Spektrum angesiedelten JungdemokratInnen und der Marxistischen Jugendvereinigung Junge Linke der früheren DDR. Dementsprechend pendeln seine Mitglieder heute irgendwo zwischen Bündnisgrünen und PDS. Ganz zu Hause sind sie bei keiner der Parteien, seit sie sich 1982 von ihrer damaligen Mutterpartei, der FDP, lossagten, weil diese im Bundestag eine Koalition mit der CDU eingegangen war.

So richtig versteht Patrick P. denn auch nicht, wie die Verfassungsschützer ausgerechnet auf ihn gekommen sind. Damals in Zwickau hatten sie „Schwierigkeiten mit den Glatzen“. Deshalb hat er dort in der Antifa mitgearbeitet, „aber über Plakatekleben sind wir nicht rausgekommen“. Im letzten Jahr bei der Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch in Saalfeld ist er überprüft und kurzfristig festgenommen worden. Wie viele andere auch.

Bei den JungdemokratInnen/ Jungen Linken arbeitet er nun im Arbeitskreis „Rechte Theorien“ mit und koordiniert im Vorstand die Aktivitäten zum Themenkreis Innere Sicherheit. In dieser Funktion allerdings ist er an Bündnisverhandlungen und Aktionsvorbereitungen beteiligt – zumindest darüber informiert.

Vermutlich liegt hier der Grund für das Interesse der Geheimen an Patrick P. Beim Landesamt gibt man sich, wie in der Branche üblich, verschlossen. Über den „Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel machen wir öffentlich generell keinerlei Aussagen“, heißt es dort. „Über solche Dinge redet der Verfassungsschutz nicht.“