Mit Anzeigen gegen Schwarzfahrer

■ BVG und S-Bahn erstatteten 1997 18.000 Anzeigen wegen Fahrens ohne Ticket. Kürzlich mußte ein Schwarzfahrer 300 Mark Strafe zahlen. BVG beklagt „fehlendes Unrechtsbewußtsein“

Die Zeiten, wo Schwarzfahren als Kavaliersdelikt galt, scheinen vorbeizusein. Erstatteten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die S-Bahn 1996 rund 13.000 Anzeigen gegen Schwarzfahrer, stieg die Zahl 1997 auf 18.000 an. Von den etwa 300.000 Fahrgästen, die nach Angaben der BVG 1997 ohne Fahrschein in U-Bahnen und Bussen angetroffen wurden, kamen 12.000 nicht mit einem blauen Auge, das heißt einem erhöhten Beförderungsentgelt von 60 Mark davon, sondern erhielten eine Anzeige wegen „Erschleichung von Leistungen“.

Die S-Bahn wollte gestern keine Zahlenangaben dazu machen. „Die Ertappten bringen uns knapp 10 Millionen Mark ein“, begründet BVG-Pressesprecherin Barbara Mansfield das harte Vorgehen der Verkehrsbetriebe. Bei über 700 Millionen Fahrgästen pro Jahr schätzt die BVG, daß jeder dreißigste ohne gültiges Ticket fährt. Der jährliche Schaden beläuft sich nach Schätzungen der BVG auf 50 Millionen Mark.

Ob die BVG Anzeige erstattet oder nicht, hängt vom Einzelfall ab. „Wenn jemand des öfteren erwischt wird, gehen wir von einem Serientäter aus“, so Pressesprecherin Mansfield. „Und daß solche Menschen dann immer sofort die 60 Mark zahlen, ist selten.“ Die Sprecherin beklagt das „fehlende Unrechtsbewußtsein“ vieler Fahrgäste. Doch „sie wissen ganz genau, daß Schwarzfahren eine Straftat ist.“ Nach dem Strafgesetzbuch drohen Schwarzfahrern nach einer Anzeige Geldstrafen oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Jüngstes Beispiel für die harte Gangart der Verkehrsbetriebe ist der Fall eines 25jährigen aus Hellersdorf, der nach zweimaligem Schwarzfahren einen Strafbefehl erhielt. Lars P. war zum ersten Mal im Dezember 1997 ohne Fahrschein erwischt worden. Innerhalb der gesetzen Frist von 10 Tagen zahlte er das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Mark. Als er drei Monate später erneut ohne Ticket erwischt wurde, erstattete die BVG Strafanzeige.

Die Staatsantwaltschaft forderte zunächst eine Geldstrafe von 1.500 Mark, wogegen Lars P. Widerspruch einlegte. Vor wenigen Tagen wurde er vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe von 300 Mark verurteilt. Der Angeklagte hatte vor Gericht ausgesagt, daß er beim zweiten Vorfall nur einen 50-Mark-Schein dabeigehabt habe, den ihm keiner habe wechseln können. Da die Staatsanwaltschaft diese Darstellung nicht widerlegen konnte, ließ das Gericht den Vorwurf des wiederholten Schwarzfahrens fallen. Übrig blieb einmal Schwarzfahren, und das ahndete das Gericht mit einer Geldstrafe von 300 Mark. Ilja Weitzel